Claras Allerleiweltsgedanken


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Die Stasi – weder Freund noch Helfer

… wie es ja immer der Polizei auf die Uniformen geschrieben wird.

Stasiwitz:  „Was war die Aufnahmeprüfung bei der Stasi? Aus 3 Meter Entfernung an eine Glaswand springen und sich mit dem Ohr festsaugen!

Die Jungens von Horch und Guck haben sich so eine Mühe gemacht mit mir – aber gefragt, ob ich ihnen helfen soll, haben sie nieeeeeeeeeeeeee. Sie haben offenbar geahnt, welche blöde Antwort sie von mir bekommen hätten.
Aber dennoch müssen sie mich irgendwie geliebt haben. Kurz nach Mauerbau zwangen sie mich, ihre Bekanntschaft zu machen – losgeworden bin ich sie erst nach dem Mauerabriss.
Im vorhergehenden Post Abiturbeurteilung aus der DDR habe ich ja den Film erwähnt, der mich in meine Heimatstadt geführt und mir den Verriss beschert hat. In die nähere Auswahl als Filmkandidatin kam ich durch einen Brief nach der Lesung von U. Mühe am 9. Nov. 1989 „Briefe an Walter Janka“. In spontaner Begeisterung habe ich danach einen Leserbrief verfasst, in dem ich diese Herren mit folgenden Worten erwähnte:

„… Wenn alle so dächten, hätten wir die vielen Herren in Rindsledermänteln und -jacken der ganz leisen Polizei (Kurt Demmler) gar nicht oder nur in stark reduzierter Anzahl nötig.“

Während der EOS-Zeit (Erweiterte Oberschule lies Gymnasium) luden sie mich zweimal ein – und nie gab es Kaffee und Kuchen, unhöfliche Flegel! Der eine Anlass steht in o.g. Artikel, der andere war meine „unerlaubte Entfernung von der Truppe.“ Wir traten als Ensemble bei irgendeiner politischen Veranstaltung Anfang der 60er Jahre in Berlin auf. Mir war der ganze Rummel einfach zu blöd und ich traf mich lieber mit meinem Liebsten, um mit ihm durch die für mich ungewohnte Großstadt zu bummeln. – Das hatte sofort eine „besorgte“ Suche nach mir zur Folge. Zu Haus musste ich mich persönlich bei ihnen zurückmelden.
Als ich nach den Ferien zwischen 9. und 10. Klasse wieder auf der Schulbank saß, hatte man um Deutschland Ost eine Wand gezogen, damit niemand von uns abschreiben konnte und ähnliche schlimme Dinge. Wir alle sollten eine Resolution unterschreiben, dass wir diesen Antifaschistischen Schutzwall gut finden oder sogar frenetisch begrüßen. Einen Teufel tat ich! Und das hat mir sicherlich den ersten Eintrag im Sündenregister eingebracht, denn sie kamen in meine Klasse und diskutierten sich den Mund fusselig – doch ich glaube eher, dass ihr IQ dem meinigen um eine(n) Zehner(potenz) unterlegen war.(Da isses wieder, dieses in der Beurteilung erwähnte „Selbstbewusstsein“, ha!)

Sichtbar aktiv wurden die Herren, als ich 1983 das erste Mal einen Antrag auf Besuchsreise zur Silberhochzeit meines Bruders stellte. Abgeschmettert! Wie sie eifrig alle Nachbarn befragten. Zwei Jahre später mussten sie wieder tätig werden – ich wollte zum 80. Geburtstag eines Onkels fahren. – Nicht zu fassen, ich durfte und ich durfte danach immer wieder, zu echten und fingierten Anlässen, zu echten und dazu gemachten Verwandten – ich war ja immer brav wieder gekommen und hatte meine Kinder als Pfand gelassen.

Ihren widerlichsten Auftritt hatten sie am 6. Oktober 1989 früh 6.00 Uhr. Mein Sohn, noch nicht ganz volljährig und mit einer ähnlichen Begabung zur Aufmüpfigkeit wie seine Mutter ausgestattet, hatte sich in der Schule durch Wandzeitungsaufrufe (die wohl gefühlte 5 Minuten dort gehangen haben werden) bekannt und sicher nicht beliebt gemacht. Außerdem arbeitete er in der Redaktion einer Zeitschrift mit, die unter schwierigsten Bedingungen in den Räumen und mit der Kopiertechnik einer Kirche erstellt  wurde. – Wie gesagt, in aller Herrgottsfrühe – es war schließlich Wochenende – klingelten zwei, hielten irgendwelche Dienstausweise hin und murmelten was von Kripo. Lauthals glaubte ich ihnen das nicht, da ich wusste, dass mein Sohn nicht kriminell, sondern politisch tätig war. Sie begehrten Einlass, weil sie meinten, das müsste nicht das ganze Haus hören. Ich widersprach auch da, musste sie dann aber reinlassen, da sie ihn sprechen wollten. Sie erklärten ihm, dass sie für das ganze Wochende – es war der 40. Jahrestag der DDR und es waren sowohl Feierlichkeiten als auch Riesenunruhen zu erwarten – einen Aufpasser für ihn abgestellt hatten, der ihn bei allen Aktivitäten begleiten wird. Treu doof saß dieser Kerl in seinem Trabant unten vor der Haustür. Wollte ihn S. ärgern, ging er zum Hinterausgang raus, schlich sich an sein Auto ran, klopfte und meinte: „Wenn de nich besser ufpasst, bin ick aber weg!“ – Und tatsächlich klebte ihm der Kerl an den Socken wie ein Schatten. Abends, als Söhnchen zu einer Veranstaltung der „Kirche von unten“ ging, kam er dann aber doch nicht mit. Angst, dass er das Jackstück voll bekommt?

Tja, danach hatte dann ja weniger die Stasi als der Bundesnachrichtendienst das Sagen. Kann man da eigentlich auch irgendwo „Akteneinsicht“ beantragen?

Apropos Akteneinsicht – als man das dann konnte, taten wir (Sohn und ich) das natürlich auch. Ich kann nur über die meinige berichten. Ein großer ruhiger Saal, Stille bis auf das Rascheln der Hefter und Ordner, die man ausgehändigt bekommen hatte. Plötzlich lautes Gelächter, peinlicher Weise von mir. Sofort bekam ich einen „Ordnungsgong“ von wegen heiliger Ruhe und ernsthafter Arbeit. Aber muss man nicht brüllend lachen, wenn man kopierte Briefe vom eigenen Sohn liest, die dieser im zarten Alter von 8 Jahren an seinen Westonkel (der damals dummerweise Pressesprecher in Wuppertal war) geschrieben hatte. Weil sie durch die Briefe immer schon über die Wünsche informiert waren, konnten sie dann später gezielter die Pakete abfangen und durchsuchen. – Durchgängig wurde unsere Post nicht kontrolliert, sondern nur, wenn etwas anstand. Der Sohn sollte z.B. auf die Sportschule, weil er gut im Fechten war. Aber mit solchen unzuverlässigen Eltern? Der Vater Wehrdienstverweigerer, Bausoldat und Christ, demnach nicht in der Partei, die Mutter nicht weniger belastet – da muss wohl das Kind auf eine international bekannte Sportkarriere verzichten. Ähnlich ging es auch schon der Tochter. Wir wollten sie in der dritten Klasse eine Spezialschule besuchen lassen, da ihre Leistungen weit über dem Durchschnitt lagen. Doch dieses Privileg konnte einem Kind von Nicht-Genossen nicht zugestanden werden.

Der Sohn hat übrigens später – schon zu Westzeiten – die gute Familientradition fortgesetzt und hat seinen Zivildienst auf dem Friedhof abgeleistet. Besser Tote begraben als Lebende zu Totn machen.
Die Akten aus meiner Schulzeit in G. habe ich nie anfordern lassen, denn ich hätte es schlecht ertragen, unter den geschwärzten Namen der IMs und Verräter den meiner damals besten Freundin zu lesen. Aber Details in Diskussionen, die mit mir geführt wurden, konnte nur sie gewusst haben.

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Als Ergänzung möchte ich auf einen Artikel verweisen, der mir am 28. Juni zugespielt wurde. – Dort sind die Erfahrungen der jüngeren Generation mit der Staatssicherheit sehr eindringlich beschrieben.