Claras Allerleiweltsgedanken


Steine auf meinem Berufsweg, III

In den vier vorhergehenden Posts Abi, Stasi, Steine 1 und Steine 2 habe ich mich relativ ausführlich mit dem Werdegang einer leicht aufmüpfigen, nicht dummen und wenig anpassungsbereiten Frau in der DDR beschäftigt. Das Lesen sollte sich nur antun, wer an persönlicher Aufarbeitung von DDR-Geschichte interessiert ist. – Halt, Korrektur. der Stasi-Post ist da vielleicht eine Ausnahme.

In diesem Post will ich das Kapitel bis 1990 fortsetzen – der Zeit nach der Vereinigung muss ich mich später noch einmal widmen.

Die 6 Jahre in einem Rechenzentrum des Bauwesens waren in politischer Hinsicht so langweilig, dass sie hier kaum eine weitere Zeile verdienen. Niemand fragte groß, niemand stellte Bein – also für Carla, dieses schlitzohrige Action-Weib langweilig.
Das angestrebte Fachschulstudium sollte da Abwechslung bringen. Die Fachrichtung schreibe ich nicht, da ich mich heute noch für den Schwachsinn schäme, den sie uns beigebracht haben.
Ein kleines positives „Frusterlebnis“ nebenbei. Vor dem Studienbeginn – immerhin 15 Jahre nach dem Abi – musste ich mich u. a. auf Mathematik vorbereiten. Wenn ich mit hochrotem Kopf über den Aufgaben brütete, schaute mir meine Tochter über die Schulter, damals 5. Klasse, und begriff beim besten Willen nicht, wie ich so lange für die manchmal trotzdem falschen Lösungen brauchen konnte. Ich schwöre euch, ich habe nicht den Stoff der 5. Klasse wiederholt.

Das Studium war rein verschult, den Begriff „Studium“ hat diese Ausbildung nur in den späten Abendstunden verdient, wenn ich über den Büchern hockte. Neben mir auf den Stühlen hockten tagsüber 18 – 20jährige, es gab auch einzelne, die schon ein paar Jahre länger lebten – aber ich war die absolute „Studien-Oma“ – vielleicht habe ich mich damals schon auf meine heutige Lieblingsrolle vorbereitet.
Zu meiner Schande muss ich gestehen, dass ich eine „Streberin“ war, ich hatte fast nur beste Noten. Doch ich brauchte auch dringend einen besser bezahlten Beruf, denn das Wasser der Ehe hatte kaum noch Balken, an denen ich mich festklammern konnte. Und das Gehalt einer Sekretärin – ob „Chef“ davor in der Berufsbezeichnung oder nicht – kam dem Wochenlohn einer westlichen Vorzimmerdame gleich.
Gegen Ende des Fachschulstudiums zeichnete sich ab, dass mich keine interessante Arbeitsstelle einstellen darf, obwohl ich sehr günstige Voraussetzungen mitbrachte, da meine Personalakte so belastet war.
Also wurde durch die mündliche Prüfung noch schnell an der Abschlusszensur für das Fach „Marxismus – Leninismus“ gedreht. Es war das Fach der Fächer, wer dort kein „Sehr gut“ erreichte, durfte die Gesamtprüfung nicht mit dem Prädikat „Ausgezeichnet“ abschließen, sondern nur mit „Sehr gut“. – Trotzdem bekam ich keine Stelle, lange nachdem die taubesten Nüsse aus der Klasse schon die bestbezahltesten Stellen bekommen hatten, nur weil ihre politische Überzeugung die richtige Farbe hatte.
Als ich dann nach langer Suche in einem Forschungsinstitut für Lungenkrankheiten untergekommen war, erklärte mir die Kaderleiterin = Personalchefin vollen Ernstes, dass ich ihr „die Füße küssen könnte“, dass sie mich trotz meiner politischen Einstellung genommen hat. Ihre spätere Rache: Als ich 1985 zur Silberhochzeit meines Bruders nach Wuppertal reisen wollte, hat sie das durch ein entsprechendes Schreiben an die Polizei verhindert.
Nach drei Jahren bot sich mir eine andere und vor allem weitaus besser bezahlte Arbeitsmöglichkeit, die ich nutzte.
Dort blieb ich bis zu dem Tag, als die DDR aufhörte zu existieren und mit ihr viele, viele Betriebe, Institute und Forschungseinrichtungen.
Was mir dann zu Westzeiten arbeitsmäßig widerfahren ist, will ich nicht am 1. Tag des schönen Monats März schreiben – schön deshalb, weil in diesem Monat Frühlingsanfang ist und weil Söhnchen Geburtstag hat.