Claras Allerleiweltsgedanken


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Donnas Schreibprojekt – April 2010

Viel Zeit blieb nicht mehr. Schon in wenigen Stunden

würde diese unsympathische Frau sicher nach Haus kommen und ihn – wie sie das schon öfter getan hatte – erbarmungslos rauswerfen. Einfach so, auf die Straße, auf den Hof, auf das harte Pflaster – wie es ihr gerade beliebte. Dabei gefiel ihm sein jetziges Quartier ausnehmend gut. Es war zwar äußerst ungewöhnlich, aber anheimelnd, warm und vor allem weich.

Wenn er so seine Lage betrachtete, war sie mehr als misslich. Aus eigener Kraft würde er sich da nie und nimmer befreien können – dazu lag sein „Gefängnis“ viel zu hoch.  Er war zu unsportlich, um die hohen Wände, die ihn umgaben, zu übersteigen. Obwohl er eine Heidenangst vor dem „Drachen“ hatte, der das ganze Terrain um ihn herum bewachte, ergab er sich seinem Schicksal. Und bis dahin ließ er es sich gut gehen und futterte in sich hinein, was hineinpasste.

Geräusche und Bewegungen ließen ihn plötzlich auf Hilfe hoffen! Da unten, ca. zwei bis gefühlte drei Meter unter ihm – als Winzling kann man so schlecht Entfernungen schätzen – gab es doch diese beiden schrecklichen Mädchen. Schrecklich z. B. deswegen, weil diese ihn in seine missliche Situation gebracht hatten und schrecklich vor allem deshalb, weil sie ihn vorher regelmäßig geschlagen hatten.

Er erinnert sich: „Ständig diese leichten, doch sehr lästigen Schläge auf den Kopf, immer und immer wieder. Vor allem ist dieser  gleichmäßige Rhythmus so nervtötend, manchmal zählten sie auch noch laut und penetrant die Schläge.“

Er denkt daran, wie er immer und immer wieder  mit ziemlicher Wucht in die Ecke geschleudert wurde. Zum Glück konnte er dort ein wenig liegen bleiben und sich von den Schlägen erholen. Doch meist kam gleich wieder so eine lästige Kinderhand und griff mit Gekreisch nach ihm – einfach furchtbar! Und dann ging es sofort weiter mit diesem  „plop, plop, plop“.

Jetzt vernimmt er in seinem „Gefängnis“  plötzlich Stille —– Ruhe, dann enttäuschte Kinderstimmen, Fragen, ängstliches Rufen .

Nun kommt eine Frauenstimme dazu, doch er hört im Moment nicht so richtig gut. Ist diese weiche,  gelbe Masse in seiner Umgebung daran schuld? Verstopft sie ihm die Ohren?

Die Frau sagt zu einem der beiden Mädchen, das wohl Clara heißt: „Komm, wir machen jetzt Räuberleiter. Du kletterst auf meine Hände und dann versuche ich, dich so hoch wie möglich zu stemmen. Aber halt dich immer gut an der Hauswand fest, damit du nicht fällst. Und wenn du dich ganz lang machst, dann kannst du bestimmt das Fensterbrett erreichen!“

Der kleine Kerl hört noch  paar ängstliche Ausrufe – und plötzlich sieht er eine kleine Hand auf sich zukommen. Er überlegt kurz:  „Untertauchen oder fangen lassen?“ Da ihm über den „Drachen“ nichts Gutes zu Ohren gekommen ist, will er doch lieber von hier weg.

Und da schreit Clara plötzlich zu den anderen beiden: „Ich hab‘ ihn, er lag in der Puddingschüssel“. Sie hält ihren Federball ganz fest und lässt sich von der Frau wieder auf sicheren Boden setzen.

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Da viele Leute auch früher schon keine Kinderfreunde waren, gab es Zeter und Mordio von „Frau Schrulle“ – das war der allgemeine Spitzname -, aber Claramutter hat ihr entweder einen neuen Pudding gekocht oder alle Zutaten vor die Tür gestellt.