Gestern erwähnte ich in meinem Post den Begriff „Sippenhaft“
Heute möchte ich diesen noch einmal aufgreifen, anhand eines im Freundes-/Bekanntenkreis selbst erlebten Beispiels.
Ein beliebiger Tag in der Woche, früh 5.00 Uhr. Die Familie – bestehend aus einer jungen Mutter, einem nichtdeutschen Vater und zwei Kindern im Alter von 1,5 und 4,5 Jahren wird durch einen ohrenbetäubenden Krach geweckt. Die Wohnungstür wird eingetreten, ca. 20 Leute von der Polizei stehen vor der Tür, weisen kurz einen Durchsuchungsbefehl vor, stürmen in die Wohnung und fangen an, wie die Vandalen zu hausen, zu zerstören, zu schnauzen. Das Ehepaar darf nicht mehr zusammen sprechen, die Mutter darf nicht das weinende Kind beruhigen. Eine unverschlossene Tür zu einem Abstellraum wird mit roher Gewalt aus den Angeln gerissen, alles in den Regalen auf die Erde geschmissen. Den Endzustand der Wohnung nur als Schlachtfeld zu bezeichnen, wäre freundlich.
Grund dieser Razzia: Der Mann wird verdächtigt, an irgendwelchen Schmuggelaktionen beteiligt zu sein, eventuell auch Drogen. Das ganze ist Anfang Dezember passiert. Alles, was die Frau zur Betreuung ihrer beiden Kinder und zum Kontakt mit der Umwelt benötigt, wurde bechlagnahmt und bis jetzt auch noch nicht zurückgegeben. Dazu zählen Computer, Handy und ihr Auto, womit sie den Jungen in die KITA bringt und die Kleine dabei mitnehmen muss.
Der Mann wurde mitgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft. Es ist für die Mutter noch nicht einen Schritt in positiver Hinsicht weitergegangen. Ihre Konten sind gesperrt, ihr Auto immer noch konfisziert.
Jetzt stellt sich heraus, dass seit ca. 6 Monaten detaillierte Telefongesprächmitschnitte angefertigt wurden und die jetzt in ausgedruckter Form dem Mann vorgelegt wurden. Er erfährt auf diese Weise alles, was seine Frau mit einer Freundin besprochen hat. Ob das dem Erhalt der Ehe guttut, ist fraglich. – Es wird ja so oft über die Methoden der Stasi geschimpft, gelästert oder geklagt – ich kann keine wesentlichen Unterschiede zu jetzt feststellen – Gott sei Dank kenne ich allerdings beide nur vom Hörensagen.
Angenommen, er ist wirklich schuldig – haftet dann die Ehefrau immer automatisch für ihn mit? Auch wenn sie absolut unwissend war und unschuldig ist? Sie tut mir so leid, ich hatte ihr schon tageweise mein Auto angeboten, aber das wollte sie nicht annehmen. „Großzügig“ hat man ihr wenigstens die Kindersitze rausgegeben, so dass sie zeitweise mit dem Auto ihrer Mutter fahren kann.
Wie Bigi es schon mal sagte, manchmal habe ich auch so meine Probleme mit diesem Rechtsstaat.
23. Mai 2011 um 22:05
Liebe Clara, dass alles liest sich grauenvoll. Und natürlich hast du Recht, mit allem, was du schreibst. Nach unserem Telefonat habe ich noch etwas gestöbert und bin auf den von angesprochenen Sachverhalt gestoßen. Bei einer ähnlich gelagerten Razzia kam in Thüringen sogar ein Mann zu Tode, weil geschossen wurde. Das ist die Sache, wo ich dich fragte, ob es aus dem TV wäre. Hinterher stellte es sich heraus, dass sich die Beamten in der Tür geirrt und den Falschen in der Mache hatten.
Wie geht es der Familie heute? Das hatte ich ganz vergessen zu fragen.
PS: Insiderwissen – Oliven im Salat noch alle da 😉
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23. Mai 2011 um 22:17
Er wird wahrscheinlich bald verurteilt – und sie macht das so bewundernswert toll mit den beiden Kindern und den ganzen Schwierigkeiten, dass ich einfach nur den Hut ziehen kann.
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30. Januar 2011 um 19:24
Ich möchte es kaum glauben, dachte ich doch, dass sowas nur in Fernsehkrimis passiert. Wenn das unser Rechtsstaat ist, dann gute Nacht!
Lieben Gruß
Elke
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30. Januar 2011 um 21:52
Elke, es ist bei mir in der unmittelbaren Nähe passiert – fast alle Bewohner aus dem Haus haben den höllischen Lärm mitbekommen.
Danke sagt Clara – die Mutter wird diesen Blogeintrag lesen
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30. Januar 2011 um 15:39
Skryptoria, es kann durchaus möglich sein, dass er schuldig ist, manches lässt mich diesen Verdacht hegen – zumindest, dass sie finanzielle Vorteile daraus gezogen hat. – Ja aber, kann ich nur sagen, rechtfertigt das die sinnlose Zerstörungswut bei der Razzia, wie ich schon versuchte zu erklären. Sind eingetretene Türen und rausgerissene Angeln einer Tür notwendige Begleiterscheinungen.
Zum Glück ist sie in Kinderzeit zu Haus und braucht den Computer nur für private Kommunikation – alles andere wäre noch schrecklicher, wenn dadurch ihre Existenz noch mehr gefährdet wäre.
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30. Januar 2011 um 14:55
Erst mal Glückwunsch deinem Enkel, liebe Clara. Da wächst ein kleiner Pianist heran.
Was die Razzia betrifft ist schwer Stellung zu nehmen, wenn man die näheren Umstände nicht kennt. Allerdings muss man nicht wie die Wandalen hausen, wenn man eine Wohnung durchsucht, das geht auch anständig. Das größte Problem heutzutage ist wohl die schnelle Bearbeitung. Das zieht sich und Unschuldige sitzen in der Warteschleife.
Ich hoffe, dass die Angelegenheit bald über die Bühne ist und die Kinder nicht leiden müssen. Sie sind die wahren Opfer in so einem Falle.
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30. Januar 2011 um 15:31
Danke Ute für Glückwunsch und Kommentar an sich.
Ich zweifle auch nicht an der Rechtmäßigkeit einer Hausdurchsuchung, wenn ein Verdacht da ist und sich eventuell über Langzeitbeobachtung erhärtet hat. Doch muss man eine Tür eintreten, eine andere aus den Angeln reißen, nur weil man eventuell Rauschgift sucht. Meiner Meinung nach erledigt das ein auf Rauschgift getrimmter Hund viel unproblematischer. – Ich kann nur hoffen, dass alle Menschen, die mir lieb und teuer sind, nie, aber wirklich nieeeeeeeeeeeee in eine solche Situation kommen.
Ich bewundere diese Frau und Mutter der Kinder – ihre liebenswerte Ausstrahlung hat nicht gelitten.
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30. Januar 2011 um 14:38
Das klingt furchtbar… Ich bin total sprachlos. Selbst wenn der Mann schuldig ist, kann man ihn doch auch ganz anders verhaften lassen. Er war ja ganz offensichtlich nicht bemüht, davonzustürmen, sondern war zu Hause mit der Familie…
Liebe Clara, ich wünsche dir trotzdem einen schönen Sonntag!
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30. Januar 2011 um 15:34
Martina, in den frühen Morgenstunden, wenn die ganze Wohnung noch dunkel ist, im Schlafanzug bei dieser Eiseskälte im Dezember und bei einer Übermacht von ca. 20 Leuten käme wohl kaum einer auf den Gedanken, davon zu stürmen.
Ich frage mich bloß, warum bekommt die Frau ihr Auto nicht zurück – er hatte ja ein Extraauto. Es kann doch nicht Woche über Woche dauern, um in einem Auto nach Beweisen zu suchen, vor allem nach welchen, die nicht da sind.
Lass dich lieb grüßen von Clara
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30. Januar 2011 um 12:18
Ich sprach mal mit meinem Sohn darüber, der da aus seiner Zeit als „Widerständler“ in der DDR seine Erfahrungen hat – der meinte auch, weder Methoden noch Vorgehen bei Hausdurchsuchungen wären besser oder „vornehmer“ geworden.
Dennoch wünsche ich dir einen schönen Sonntag, liebe Elke
Clara
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30. Januar 2011 um 11:49
Eure Zeiten, Vivi und Lucie, die hier als Kommentarzeiten stehen, lassen ja schlaftechnisch keine guten Schlussfolgerungen zu. Dieses Mal ist ja mein Post nicht zur üblichen 00.05 Uhr-Zeit fertig gewesen – aber du kommentierst ihn dennoch schon in der Nacht.
Hier fehlen offenbar beides: Das Geld und der richtige Anwalt.
Jetzt habe ich gerade mit der Familie meines Enkels ausgiebig telefoniert. Der Kleine hatte ja gestern sein Klaviervorspiel bei der Musikschule. Aus einem sehr großen Kreis (örtlich gesehen) waren in seiner Altersklasse 27 Kinder angetreten. Er hat die volle Punktzahl erreicht und ist unter die 5 ersten gekommen. Das bedeutet, er spielt in ca. 4 Wochen beim Preisträgerkonzert eines seiner Stücke, das er sich selbst aussuchen kann. Er meinte, das „Training“ auf dem neuen Flügel hätte ihm sehr geholfen, dort mit dem Flügel, der zufällig vom gleichen Fabrikat ist, klarzukommen. Er erzählte mir, dass er jetzt das erste Stück mit 3 Sätzen selbst komponiert hätte.
Wenn der so weiter macht, kann ich ihn irgendwann in der Philharmonie Berlin spielen hören – hoffentlich kann ich dann mit meinen Ohren überhaupt noch was „hören“ und genießen, nicht nur mit den Augen sein Spiel verfolgen.
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30. Januar 2011 um 15:27
Danke Elke, wenn ich wüsste, wie ich die drei (extra ohne Gesicht aufgenommenen Videos von meinem Apparat zu einem ins Netz zu stellende Video verarbeiten könnte, ich würde es glattweg machen, damit ihr mal nachvollziehen könnt, wie dieser kleine Bengel über die Tasten rast – und die richtigen Töne trifft.
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30. Januar 2011 um 15:42
Vivi, mit der Zeit: Ich habe schon ein wenig die Zitverschiebung berücksichtigt, aber weniger, dass bei euch heute kein freier Tag ist. Aber auch sonst ist das für mich eine Zeit, wo ich mich im tiefsten Schlaf befinde, aber ich gehe ja auch sehr oft erst gegen 3.00 Uhr schlafen.
Die Vielfältigkeit bei ihm könnte mal zum Problem werden – zum jetzigen Zeitpunkt her könnte er auch Maler oder Bildhauer werden – die Ergebnisse sind ähnlich gut. – Ich hoffe, dass er trotzdem eine gut behütete Kindheit erleben darf und jetzt nicht auf Wettbewerbe am Flügel ausgerichtet wird.
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30. Januar 2011 um 11:41
Vivi, die falsche Religion mag hier durchaus auch eine Rolle gepielt haben, er ist Moslem. Und das reicht offensichtlich in Deutschland schon aus, um unter Generalverdacht gestellt zu werden – wenn schon nicht Terrorismus, dann doch „wenigstens“ Schmuggelei oder Dealerei oder sonst irgendwas.
Ich kann sie einfach nur moralisch unterstützen, denn ich mag sie sehr.
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