Claras Allerleiweltsgedanken


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Drei Sekunden nicht aufgepasst …

Die Cetus - Foto: Georg Bleicher, Berlin

… können ein neues Leben hervorrufen, unter Umständen aber auch eines beenden.

Die Geschichte spielte sich im Sommer 1984 ab. Der Haupt“held“, um den es damals und heute geht, war schon 13 Jahre jung und noch nicht 14 Jahre alt – ein Lebensalter, in dem man schon gewisse Verstandesleistungen erwarten konnte.

Die Sonne schickt sich allmählich an, in den Scharmützelsee zu tauchen. Eine leichte Brise schaukelt das Segelboot im Hafen und lässt den Tee in den Tassen und das Bier in den Gläsern schaukeln.  Die Patchworkfamilie – bestehend aus dem „Kapitän“ der „Cetus“, den beiden „Hilfsmatrosen“ Theres und Clemens und dem Ersten Offizier in Form meiner Person – saßen beim Abendbrot an Deck. Die Stimmung, die sich über den See breitete, war beschaulich und schön.

Das Essen war beendet – Clemens, der kleine Segeleleve, hibbelt herum und weiß kaum wohin mit seiner überschüssigen Energie. Für einen 13jährigen bietet so ein Boot zu wenig Auslauf, vielleicht täte es ein alter Dreimaster. Theres sitzt gemütlich auf der Bank in der Plicht, die Beine hoch,  und steckt die Nase in ein Buch mit mathematischen Rätselaufgaben.

Die Großen sitzen gemütlich am Tisch und wollen den Tag ausklingen lassen. Clemens spielt mit den vom Großbaum hängenden Schlaufen der Bändsel, die zum Reffen oder Zusammenbinden des Großsegels gebraucht werden. Aus Jux und Dollerei und kindlicher Blödheit steckt Clemens seinen Kopf hinein. Ich quittiere das mit einer unwilligen Bemerkung  „lass diesen Blödsinn“ und das Gespräch plätschert wieder leise vor sich hin.

Plötzlich stößt der baumlange Kapitän den zum Glück schon abgeräumten Tisch  um, weil er blitzschnell aufsteht. In diesem Moment fällt mein  Blick auf meinen Sohn und ein angstvolles „Clemens“ kommt aus meinem Mund. Peter schnappt den kleinen Kerl, der bewusstlos in der Schlinge hängt, die Schwester fängt zu weinen an – und ich staune nur über Peters Reaktionsgeschwindigkeit. Ich glaube nicht, dass diese Situation zu seinen täglichen Übungen gehört. Er setzt Clemens in der Kajüte auf die Bank  und verpasst ihm leichte Backpfeifen, bis er ihn ins Bewusstsein zurückgerufen hat. Clemens erstaunter Blick und die nasse Hose zeigen uns, dass er ziemlich tief bewusstlos gewesen sein muss.

Schwesterchen hat noch den ganzen Abend geweint, auch wenn der kleine (freche) Bruder schon wieder seine Witze machte. Sie war so aufgeregt, dass sie von uns ihren ersten Schnaps im Leben zur Beruhigung spendiert bekam.

Clemens lebt offensichtlich gefährlich, aber immer wieder bewahrt ihn ein Schutzengel davor, dass ihm was Schlimmes und uns großer Kummer widerfährt. Die „Geschichte von den Füßen aus dem Fenster“ handelt von einem Zweijährigen und seiner Schwester, der einen Großeinsatz der Feuerwehr verursacht.  In „Schrecksekunde“ erzähle ich, wie er es mit 7 Jahren noch einmal schafft, nicht aus dem 6. Stock zu fallen.

Im Laufe seines Lebens bis zu seinem heutigen 40. Geburtstag hatte er noch einige Situationen, wo er gerade noch so von der Schippe gesprungen ist – und alle waren selbst verursacht, keines war eine „Krankheits-Schippe“, sondern fast alle hatten mit Sport oder Fahrzeugen zu tun.

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Ich wünsche dir, dass du die Leben von zwei Katzen für dich verbrauchen kannst, denn die von einer hast du wohl schon ver(sch)wendet.

Und weiterhin wünsche ich dir, mein lieber S. Clemens,  dass du noch lange, noch oft und noch immer so geschmeidig „von Bord“ gehen kannst wie hier von der „Cetus“, als du noch sehr klein und sehr jung warst.


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Das war doch nur der Arbeitstitel?!?

Und es begab sich im Jahr 1970, dass Clara mit ihrem zweiten Kind schwanger ging. Was die beiden Großen (Eltern des Embryos) der Familie dazu bewog, von vornherein und ohne jegliche Sicherheit und ohne Ultraschallaufnahme zur Geschlechterbestimmung (die es damals noch nicht gab) dem kleinen Mitglied der Familie (Theres) weiszumachen, dass ein kleiner Tobias* (Name von der Redaktion geändert) unterwegs ist, weiß bis heute niemand.  Zum Glück ging die Geschichte  gut aus, und Mutter Clara brachte keine „Tobine“, sondern wirklich einen Tobias  aus dem Krankenhaus nach Haus.

Wie man unschwer an dem schon gestern veröffentlichten Geburtstagspost für Mama Gertrud feststellen kann, haben Großmutter und Enkel also an einem Tag Geburtstag – im Jahr 1971 das beste Geburtstagsgeschenk, was meine Mutter je bekam.

Nachdem ihr die Hebamme herzlichst gratuliert hatte und ihr ausnahmsweise das Geschlecht verriet, hatte ich sie wenig später an der Strippe.

Der Dialog verlief in etwa so:

Danke für deine guten Wünsche und ebenfalls herzlichen Glückwunsch zum Stammhalter. Wie heißt er denn?

Ich:

Na, das weißt du doch: Tobias!

Meine Mutter:

Nein, das kann doch nicht sein, das ist doch kein Name für ein Kind! Das war doch nur der Arbeitstitel. Wie heißt er denn wirklich?

So, und dieser Arbeitstitel wird also heute 40 Jahre jung und hat sich nie ernsthaft über seinen Namen beschwert – höchstens über die Länge. Seine Schwester hat im echten Leben einen Namen mit 3 Buchstaben, von denen man nicht einen einzigen in Spiegelschrift schreiben kann. Er dagegen hat einen Namen mit 9 Buchstaben, von denen er grundsätzlich vor dem Schuleintritt 4 in Spiegelschrift schrieb.

Hier noch eine Diashow aus seiner frühesten Sturm- und Drangzeit. Der Sturm und der Drang enden hier mit seiner körpererhöhenden Frisur im 15. Lebensjahr, in dem er zur Konfirmation ging. Da er der Kleinste seines Jahrgangs war, musste schon mal zu solchen Tricks gegriffen werden. – Was er an Größe vermissen ließ, brachte er an Geschicklichkeit mit, denn den dreifarbig-grauen Konfirmationsanzug nähte er sich vollkommen allein. Ich hätte nicht die Hälfte so viele Taschen und Reißverschlüsse einnähen wollen.