Claras Allerleiweltsgedanken

Thomas Mann und sein Inzest-Buch

9 Kommentare

Thomas Mann hat schon einmal in meinem Leben eine wichtige Rolle gespielt, allerdings eine unrühmliche – nämlich bei meinem mündlichen Abitur im Fach Deutsch.
Doch dafür kann ich wahrscheinlich weniger ihn verantwortlich machen als meine politische Einstellung, die ein wenig konträr zu der vieler Lehrer in der damaligen Zeit in der DDR stand. – Auf jeden Fall hatte ich all die Jahre in Deutsch eine 1, doch beim Abituraufsatz war der Zweitkorrektor nicht so richtig einverstanden mit dem, was ich geschrieben hatte – also musste ich in die mündliche Prüfung. Und hier interpretierte ich „Mario und der Zauberer“ nicht systemkonform  und linientreu – also war die Note 1 futsch – und ich habe es überlebt.

Doch hier geht es mir um das Buch „Der Erwählte„. Eine inhaltliche Zusammenfassung, die sich auf die Überschrift bezieht, in wenigen Sätzen:

Das Buch handelt in mittelalterlichen Zeiten und ist auch in ebensolch schwer verständlicher Sprache geschrieben.
Ein Ehepaar bekommt ein gemischtes Zwillingspärchen und die Mutter verstirbt bei der Geburt. Der sehr begüterte Vater von edlem Stand erzieht seine beiden Kinder allein und wendet der Tochter überwiegend die Liebe und dem Sohn die Strenge zu. Die „Geschwisterzwillinge“ wachsen so innig miteinander auf, dass sie später eine ganz intensive Liebesbeziehung eingehen, die einen Sohn zur Folge hat. Da erkennen beide die Sündhaftigkeit ihres Tuns – der Bruder wird  zur Buße auf einen Kreuzzug ins Hl. Land geschickt und kommt dabei um, die Schwester (und Mutter ) entbindet ihren Sohn heimlich und muss sich von ihm trennen. Er wird ausgesetzt wie Moses auf dem Wasser des Ärmelkanals – und überlebt natürlich, denn sonst wäre das Buch nicht so lang geworden.

Er wird von einem Abt gefunden, einer Fischersfrau als Nährmutter in ihrem sowieso schon sehr kinderreichen Haushalt als „Kuckuckskind“ wissentlich untergeschoben, später aber im Kloster erzogen. Als er mit 17 von seiner wahren, ungefähren Herkunft erfährt, macht er sich suchend auf den Weg.

Seine ihm nicht bekannte Mutter lebt seither keusch und rein und Buße tuend und schlägt jegliche Brautwerber aus, immer noch um den Geliebten und Bruder trauernd. Ein ganz ausdauernder, sehr tyrannischer Liebhaber drangsaliert deshalb die ganze Stadt und alle leiden unter dieser Verweigerung.

Jung-Gregorius (so heißt der inzestuös gezeugte Knabe) kommt in diese Stadt, kämpft und besiegt diesen brautwerbenden Ritter und hält – ohne genaues Wissen der familiären Zusammenhänge – um die Hand seiner um 17 Jahre älteren Mutter an – und wird erhört, denn diese sieht in ihm den geliebten toten Bruder und weiß im Unterbewusstsein die Wahrheit, denn er trägt ein Wams aus dem edlen Stoff, den sie dem Kind damals mit in sein wasserdichtes Transportmittel gab. – Aus dieser Beziehung gehen zwei Kinder hervor – eines schon geboren, das andere noch im Mutterleib, als das Geheimnis ans Licht des Tages kommt.

Wiederholung der Geschichte – der SohnGeliebte flüchtet, um Buße zu tun, sie soll alles irdische Gut fahren lassen und sich nur der Alten- und Siechenpflege widmen.

Durch vollkommen mysteriöse Umstände überlebt der junge MannVaterEhemann einen wiederum 17jährigen Aufenthalt auf einer einsamen Felseninsel – ohne Essen, angekettet und ohne Kleidung. (Ein wenig dick hat Th. Mann hier schon nach meinem naturwissenschaftlich orientierten Verstand aufgetragen). Dort harrte er aus, um gottgefällige Buße zu tun – und deswegen blieb er eben auch am Leben.

Und am Ende bekommt die Geschichte noch einen drauf gesetzt: Der inzwischen geläuterte Grigorius wird zum Papst gewählt, erklärt seine beiden Töchter zu seinen Nichten und vermag es auch, seine Mutter von ihren andauernden Schuldgefühlen freizusprechen. – Will uns Thomas Mann damit sagen, dass die Obersten der katholischen Kirche nicht so fromm tun sollten, sie sind Sünder wie alle anderen auch, vielleicht sogar schlimmere?

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Ich habe immer überlegt, warum eine geschlechtliche Beziehung zwischen Geschwistern ein so verdammenswerter Akt sein soll.
Dass sexueller Missbrauch, den Eltern „zwangsweise“ an ihren Kindern begehen, eine strafbare Handlung ist, über diese Selbstverständlichkeit will ich nicht reden. Auch will ich hier nicht über Ödipus und das ganze Drumherum schreiben.
Mir geht es um die Liebe zwischen erwachsenen Geschwistern. Ich habe vor einiger Zeit von einem Geschwisterpaar in Deutschland gehört, dass mehrere Kinder miteinander hat. Die Frau ist ein wenig geistig zurückgeblieben und wäre ohne ihren Bruder und Geliebten gar nicht in der Lage, sich um die Kinder zu kümmern. Und er sollte wohl mit Haftstrafe von seinem „sündigen“ Tun abgehalten werden.

In der Antike oder bei den Ägyptern und in den adligen Königshäusern waren Geschwisterehen nicht selten. – Auf keinen Fall will ich hier dafür plädieren, dass Bruder und Schwester ihre Sinne nicht auf andere Partner, sondern nur auf das Geschwisterteil richten sollen. Doch wenn es in Ausnahmefällen passiert – ist es wirklich ein Grund dafür, diese beiden mit harten Sanktionen zu strafen? Ich bin mir nicht klar darüber.

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Falls es jemand interessiert, was Wiki dazu sagt, dann lest hier. Und im Fotoblog zeige ich euch mit zwei zwinkernden Augen, wie es in der Politik zugeht – ob da alle Abgeordneten aus „reinem“ Hause kommen?

Autor: Clara Himmelhoch

Auf meinem PR = purple Roller fahre ich durch die Bloggerwelt und mache PR = Public Relation. In meinem Gepäck habe ich fast täglich eine "Überraschung" für meine LeserInnen. Hausfrauentipps und -tricks als auch Koch- und Backrezepte müsst ihr wo anders suchen.

9 Kommentare zu “Thomas Mann und sein Inzest-Buch

  1. Hallo liebe Clara,
    erstmal herzlichen Dank dafür, dass du uns den Inhalt des Buches so ausführlich wiedergegeben hast. Ich kannte es nicht und bin auch kein allzu großer Thomas Mann Fan. Hier scheint er sich jedenfalls sehr stark an griechischen Tragödien orientiert zu haben, wenn ich das mal so sagen darf. Was den Inzest als solchen betrifft, bin ich absolut deiner Meinung. Den Kindern von ihren Eltern aufgezwungene sexuelle Handlungen gehören unbedingt strafrechtlich verfolgt. Aber Liebe zwischen Geschwistern zu bestrafen, finde ich in einer Zeit, in der Homosexuelle heiraten, völlig daneben. Erstens denke ich auch, dass diese Geschwisterliebe doch relativ selten vorkommt, zweitens werden die Probleme mit den genetisch gefährdeten Kindern vermutlich maßlos übertrieben. Dass so etwas vorkommt, wo über Jahrhunderte hinweg Inzucht betrieben wurde, das erscheint mir wahrscheinlich, aber doch nicht nicht, wenn einmal ein Kind aus einer Verbindung Bruder/Schwester entsteht. Insofern denke ich, dass unsere Strafgesetzgebung da doch etwas veraltet ist. Aber vermutlich liegt das sogar daran, dass diese Fälle so selten sind. Dumm nur für diejenigen, die es betrifft. Was deinen Satz über die Obersten der katholischen Kirche angeht – na ja, wenn ich mich jetzt dazu noch äußern wollte . . . *arrrrrrgh*
    Lieben Gruß
    Elke

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    • Danke Elke, für die fast eben so ausführliche Antwort. (Natürlich ist mir das „d“ aufgefallen, welches ich entfernt habe, zumal ich genau wusste, dass ich weder mit meinem nicht vorhandenen Bruder noch mit der noch weniger vorhandenen Schwester ein Kind habe – sondern zwei prächtige von einem Mann, der zwar da, aber nicht hier ist *grins*)
      Vielleicht hast du Recht – weil es so selten ist, kümmert sich die Gesetzgebung kaum darum. Es müsste ja auch nicht gerade eine Heiratsgenehmigung erteilt werden, sondern eine Straffreiheit im gegebenen Fall wäre m.M. nach ausreichend.
      Man kann ja Dichtern und Denkern nicht ins Gehirn gucken, was sie mit ihrem Geschriebenen bezwecken. Z.B. hat Christa Wolf, eine viel gelesene DDR-Autorin, in ihren Büchern mehr oder weniger offen oder versteckt die führenden Machthaber der Politik angegriffen. Ich grüble immer wieder, ob er das nicht doch irgendwie hier auch machen wollte – denn sonst hat dieses Buch im Jahr 1951/52 so gar keinen Sinn für mich – aber ich bin ja auch nicht der Nabel der Welt.
      Ich habe es gelesen, an vielen Stellen fand ich es interessant, hat mich an manche aktuellen Bezüge erinnert – aber es wird sich nicht in die Dauermerkschicht des Gehirns eingraben.
      Einen lieben Wochenendgruß schickt dir
      Clara

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  2. Bärbel, du hast ja recht, dass die Kinder gefährdeter sind, krank zu sein – aber ich denke immer, es passiert insgesamt wohl sehr, sehr selten, dass Geschwister ein (Ehe-)Paar werden wollen – die Natur ist im Normalfall anders eingerichtet.
    Du meinst, ich soll meinen Ex und seine liebe Frau, die er nunmehr seit 24 Jahren an seiner ehelichen Seite hat, heute anrufen und mit ihm anstoßen, weil ICH durchgehalten habe, bis heute an diesen Hochzeitstag zu denken. *grins* – da muss ich nochmal drüber grübeln.

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  3. Ich glaube ich habe diesen Bericht auch im Fernsehen gesehen über diese Geschwister…. mh, was soll ich sagen, bestrafen nur weil jemand liebt ? Sehr fragwürdig, aber in unserer heutigen Zeit ist es eben verboten seinen Bruder o. Schwester zu lieben.

    So verhält es sich ja auch bei Cousin und Cousine,aber was ist mit gleichgeschlechtlicher Liebe ? Die ist erlaubt…

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    • Cousin und Cousine dürfen heiraten, das ist gestattet. Ich kannte vor Jahren ein Paar, die auf diese Weise miteinander verwandt waren. Trotz großen Kinderwunsches haben sie nach etlichen Aborten aufgegeben und ein Kind angenommen, das andere mit Hilfe einer Fremdspende gezeugt.
      Gleichgeschlechtliche Liebe sollte wohl nach dem unwürdigen § 175 im Dritten Reich heute nicht mehr Thema von Straffälligkeit sein – die ist lediglich eine Frage der Toleranz und des Akzeptierens – es sind nun mal nicht wenige Prozent der Menschheit gleichgeschlechtlich gepolt – und soll die Gesellschaft sie deswegen ausschließen? – Meine Antwort darauf: Nein

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  4. Ich finde nicht, dass 2 Menschen, die sich lieben, bestraft werden sollen!
    Auch nicht, wenn es Geschwister sind. Allerdings finde ich, dass diese Paare davon absehen sollten, Kinder zu zeugen, da die Gefahr einer Behinderung ja doch recht groß ist.
    Liebe Grüße
    Katinka

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    • Genau so könnte das meine Meinung sein – und so wird es auch oft ablaufen, denn wo kein Kläger, da auch kein Richter. Durch die gemeinsamen Erbinformationen, die beide von ihren Eltern auch als genetisch bedingte Erbkrankheiten mitbekommen haben können, sind Erkrankungen häufiger. –
      Dieses Paar, das ich vor Jahren, als ich noch Zeit zum fernsehen hatte und noch nicht bloggte, bei Stern-TV o.ä. gesehen habe, hat mich wahnsinnig beeindruckt. Es hätte mir wirklich das Herz geblutet, wenn er verurteilt worden wäre. – Dem wäre es im Strafvollzug sicher nicht gut gegangen, denn der normale Knasti hat für so etwas kein Verständnis und kennt keine Gnade.
      Lieben Gruß an dich von Clara

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  5. Marianne, danke für den Link – da gucke ich wirklich mal drauf. – Sicher, wenn man Inzucht und Inzest über Generationen hinweg betreibt, dann wirkt sich das auf das genetische Erbgut sicher aus. Ich denke auch, Vater-Tochter oder (seltener) Mutter – Sohn als neue Eltern ist wahrscheinlich viel, viel schlimmer als Geschwister untereinander. – Ich habe mich wirklich gefragt, was Thomas Mann bewogen hat, über so ein seltenes Thema ein Buch zu schreiben. Vielleicht hatte er vor, uns klarzumachen, dass mit der DDR-Führung auch nicht alles ganz in Ordnung war.

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