… dann kann sie was erzählen.
Und es begab sich zu der Zeit, als Kaiser Augustus Clara Himmelhoch auf Reisen gehen wollte, um himmelhohe erdennahe Geschenke in der Familie zu verteilen und – wie sich herausstellen sollte – auch zu empfangen. Behufs diesen Zwecks erwarb sie per Internet eine preisgünstige Fahrkarte und stand eine volle Stunde vor Abfahrt des Zuges am richtigen Tag am richtigen Bahnhof.
22.15 Uhr geplante Abfahrt, aber der Stau im Schlafsesselwagen-Einstieg war so groß, dass wir schon dort die ersten Verspätungsminuten einfuhrenstanden. Mein erster Eindruck von dieser Bundesbahn-Wagenform: Strandkörbe in Reih und Glied. Die Liegesessel sehen wirklich so aus. Die Hälfte guckt vorwärts, die Hälfte rückwärts.
Unterbringungsmöglichkeiten für Koffer reichlich, für Menschenpopos eher weniger großzügig, denn diese Sitze – zwei links, zwei rechts wie ein Strickmuster – sind so schmal, dass die seitlichen Bedienungshebel einen bleibenden Eindruck im reisenden Weichfleisch hinterlassen – wahrscheinlich trugen alle Testpersonen Konfektionsgröße 36/38. Bis Größe 40 kann man noch sitzen, aber darüber muss man fast mit dem Schneidbrenner rausgeschnitten werden.
Ich hatte als Nacht-Bett-Nachbarin eine kluge 8jährige, die ich schon auf dem Bahnsteig wohlwollend betrachtet hatte. Dort musste sie ständig und immer wegen ihres kleinen Bruders bei der Mutter zurückstecken oder wurde ausgeschimpft. Vielleicht fühlte sie sich deswegen so wohl bei mir, dass sie mir dann aus Freude beim Schlafen wohlwollend mal ihr Bein auf meinen Bauch oder mal ihren Arm in mein Gesicht ablegte. Das hinderte mich zwar am Schlafen, doch das fiel mir unter diesen Bedingungen eh sehr schwer.
Das volle Neonlicht war 23.30 Uhr noch an, ständig rammelten neue Reisende in den Wagen – ruhig schlafen geht anders. Die Lütte unterhielt mich mit Schwänken aus ihrer „Jugendzeit“. Als Gegenleistung bot ich ihr meinen Fensterplatz an, damit ich sie beim Aussteigen um 4.58 Uhr nicht störe, da sie bis zur Endstation fuhr.
Mein Handy weckte mich um 4.50 Uhr, denn eine Durchsage für den Bahnhof gibt es aus Ruheschutzgründen nicht. Ich war gerade aufgestanden, da wird der Zug langsamer und fährt in einen unbeschilderten Bahnhof ein. Ich schwöre, kein Ortsschild weit und breit. Ich panisch den Koffer gegriffen, obwohl es 5 Minuten vor der Zeit war. Leute gefragt, deren Antwort: „Nein, das ist noch nicht Heidelberg, wir sind doch mit Verspätung abgefahren, da kann das doch noch gar nicht Hbg sein. Dennoch zur Tür gegangen, ausgestiegen, wieder jemand auf dem Bahnsteig gefragt, ob das Heidelberg sei. Antwort „I don’t understand and I don’t know“. Nicht hilfreich – bis vor gegangen und immer noch kein Schild. Die Antwort des zugbegleitenden Schaffners war so pampig, dass ich mich beinahe bei ihm entschuldigt hätte, dass ich ihn gefragt habe: „Was soll’s denne sonscht sein?“.
Feststellung meinerseits: Gleis 9 in Heidelberg leistet sich keine Ortsschilder, sondern verlässt sich darauf, dass der Blick zum Gleis 8 nicht durch stehende Züge verdeckt wird, denn dort stehen ausreichend „HEIDELBERG-Schilder“
Ich will eure Jahresrestzeit nicht zu sehr strapazieren und erzähle euch den Rest morgen.
Damit es aber morgen nicht zu viele Fotos werden, zeige ich euch jetzt schon mal, mit welchem „Feinfug“ (auf keinen Fall „Unfug“ dazu sagen) wir uns die Zeit vertrieben haben. Der Enkel hat eine gewisse Komikgabe, die er weder vom Vater noch von der Mutter geerbt haben kann. Der Opa kommt auch nicht in Frage. Über den Rest denke ich mal noch ein wenig nach.
Wenn der Bengel (12 Jahre) plötzlich so auftaucht, muss ich einfach lachend zum Fotoapparat greifen. Mit Pfeil und Stern wurde er verunstaltet, damit ihn keiner erkennt und als Clown engagiert.
Vielleicht ist es unpädagogisch, aber als ich ihn plötzlich sooooooooo sah, konnte ich nur noch wiehern vor lachen, was die ernsten Eltern nicht so recht verstehen wollten. Hier und überall sollen und wollen beide Kinder anonym bleiben.
Die Kleine (7 Jahre) will ihrem Bruder in nichts nachstehen und grübelte ununterbrochen, wie sie die Linse des Fotoapparats auf sich konzentrieren konnte. Ihre großen „Ohrgehänge“ schafften den ersten Klick
Als sie anfing, sich als Möbelpackerin zu verdingen, bekam ich Angst um die antiquarische Wohnungseinrichtung – der Papa vielleicht noch mehr als ich.
Das Multitalent – nicht nur auf dem Flügel – präsentiert sich hier mal incognito, denn die Schar der „schlüpferhandkusswerfenden Verehrerinnen“ soll ja noch im Zaum gehalten werden – momentan wüsste er mit solchen Avancen noch nichts anzufangen.
30. Dezember 2013 um 21:18
Hätte nicht gedacht, dass Nachtzüge doch nicht sooo bequem sind…war ja ein Abenteuer 😉
Deine Enkel sind echt goldig..woher habe sie den Humor bloß??? Naaaah? 🙂
Liebe Grüße und einen schönen Silvestertag und sicheren Rutsch ins 2014
Alles Gute für dich
Nixe
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30. Dezember 2013 um 23:31
Ich habe gerade die Sendung in der ARD geschaut – einen sehr amüsanten Jahresrückblick mit Jauch, Schöneberger Liefers und Kubicki. Wenn ich mir so meine Zeichnung von der „Möbelträgerdame“ ansehe, finde ich, dass sie eine gewisse Ähnlichkeit mit Barbara Sch. hat – oder etwa nicht??? 🙂
Leider kann ich mich an meine Großmutter nicht so gut erinnern, um zu wissen, ob die Enkel ihren Humor von so ganz weit her geholt haben.
Der Große und ich – wir liegen oft auf einer Linie. Er hat zwei DVDs zu Weihnachten bekommen. Die erste fand ich nicht so lustig, aber bei der zweiten sagte er voraus: „Oma, die wird dir gefallen, das weiß ich genau“ – und behielt wirklich Recht. Wenn ich jetzt nur wüsste, wie sie heißt. Ein Unhold hat drei kleine Mädchen „adoptiert“ und wurde am Ende wirklich gebessert.
Dir auch einen tollen Jahreswechsel!
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30. Dezember 2013 um 19:23
Na , dann erhole Dich mal gut von dieser Reise. War eigentlich die Rückfahrt genauso anstrengend? Die Bahn lernt einfach nicht, dass sie die Kapazität zum Jahresende erhöhen muss.
Einen guten Start ins neue Jahr
Bellana
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30. Dezember 2013 um 23:22
Warum sollte die Bahn auch etwas lernen: Sie ist ja fast konkurrenzlos, zumindest im Winter, wenn sich die Leute vor Stau auf glatteisigen Straßen fürchten.
Die Plätze haben ja gereicht – ich hatte wirklich einen ganzen Sessel für mich.
Von der Rückreise wird in 45 Minuten etwas zu lesen sein – aber keinesfalls etwas so spannendes, da alles glatt ging.
Dir einen schönen Start unter Freunden ins neue Jahr!
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30. Dezember 2013 um 17:25
Hey, Clara, wollte mich nach längerer Zeit zurückmelden, dir liebe Grüße dalassen und sagen: Auf meinem Blog startet jetzt der Chile-Reisebericht, freue mich, wenn du bei mir vorbeischaust 🙂
LG, Katerwolf
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30. Dezember 2013 um 23:19
Katerwolf, du weißt: Einmal im Feedreader, (fast) immer im Feedreader. Ich kommentiere zwar nicht immer, aber ich lese alles. Und da du meist sehr witzig-spritzig berichtest, lesen sich deine Reiseniederschriften auch recht kurzweilig.
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30. Dezember 2013 um 14:57
Feines Klavier- kreative Kinder samt Granny- und in so einem Strandkorbzug möchte ich lieber nicht fahren. War aber interessant zu lesen!
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30. Dezember 2013 um 15:48
Ach, ich denke, wenn man jede Stunde Anwesenheit im fernen Ort nutzen will, ist man mit diesem Zug gar nicht so schlecht bedient – nur sollte man den Liegewagen und nicht den Liegesesselwagen wählen.
Das Klavier war wohl das am meisten frequentierte Instrument, da inzwischen alle 4 spielen. Der Enkel hat wohl inzwischen seinen Vater weit hinter sich gelassen in seiner Virtuosität, die Mama hat ja vor einigen Jahren erst angefangen und die Kleine musste erst einmal ihre Finger so wachsen lassen, dass die Tastenabstände greifen kann.
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30. Dezember 2013 um 12:13
Ich würde verstehen, dass der Platz für den Kopf kleiner gemacht wird, da diesen ja inzwischen weniger Leute wirklich bestimmungsgemäß gebrauchen. Blogger und Anwesende sind dabei immer ausgenommen, denn sie gebrauchen ja ihren Kopf – zum Lesen, zum Betrachten von Fotos, zum Hören bei Audiobeiträgen, zum Lachen und auch zum Denken, um eigene Beiträge zu erstellen.
Die family wohnt ca. 25 km von Heidelberg entfernt, aber auch dort Hollandrad nicht optimal – zu dem Haus führen viele, viele steile Stufen, wenn man die Straßenserpentinen umgehen will.
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30. Dezember 2013 um 09:47
Am liebsten mag ich Deine durchgestrichenen Wörter, lieber Kaiser Augustus. Die Zeit war himmelhoch, ja…es ging hochher…vielleicht nicht immer hochherzigher, doch Deine Fotos sind herzig wie sonstwas – die zwei Lütten scheinen mir zwei dufte Heidelberger Kiddies…und mit Verlaub: Die Oma gehört umsorgt und gepflegt und nicht nächtens in Züge…ich würd Oma einfach einfliegen lassen, erste Klasse versteht sich.
Du…ein hinreißend erzähltes Abenteuer aus dem puren Kaiserleben.
Ich wünsch Dir Sonne.
Viel…:)
Einen lieben Gruß mit Raureiffingern
von der Fee
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30. Dezember 2013 um 12:06
Ach Fee, ich wollte doch nur bibeltreu sein und nicht verraten, dass ich eigentlich „KaiserIN AugustA“ bin (so viel Zeit muss sein). Herzlich gelacht habe ich über deine Auslegung meines Textes. – Das ältere Kind hat noch Berliner Geburtsblut in seinen Adern, die jüngere ist schon eine echte süddeutsche Maid. –
Wenn ich das Gefühl habe, ich müsste umsorgt und umhegt und gepflegt werden, dann schaue ich mich nach einem Seniorenheimplatz um – doch das hat hoffentlich noch mindestens ein Jahrzehnt oder mehr Zeit. Meine Mutter ist mit 91 in so eine Einrichtung eingezogen und mit 98 aus. Du siehst, ich komme aus dem Stamm der Langlebigen.
Du hast doch aber deinen Beitrag hoffentlich nicht im Freien verfasst – wegen der Raureiffinger. 🙂
Sonnenwunsch hat sich prompt erfüllt! Danke! Auch für den herzigen Kommentar!
Einen eben so lieben Gruß von der Cla
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30. Dezember 2013 um 12:28
Die Kokettiererei mit dem Alter beantworte ich mit einem herzlichen Lachen…;)
Will you still eat me, will you still feed me, when I’m sixty-four? Fällt mir spontan von den Beatles ein…
Umsorgen und Fürsorge sind etwas sehr Ubterschiedliches. Umsorgen ist praktische Hilfe, Fürsorge eine Ethik des Geistes, eine Herzensbildung.
Sie hat übrigens nichts mit Intelligenz, eher mit Feinsinn und der Fähigkeit, perspektivisch liebevoll an wen zu denken, zu tun.
Grüße an Frau Augusta, himmelhohe Kaiserin mit kreativsinn…;)
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30. Dezember 2013 um 12:48
nanana, junge Frau, wer in 19,5 Monden, besser Monaten 70 wird, kann schon ein wenig mit dem Alter kokettieren, aber du hast Recht, nicht so doll. Mea culpa, mea maxima culpa.
Ich überlege gerade, ob sich „Frau Kaiserin mit Kreativsinn“ mehr hier auf diesem Blog oder auf dem Fotoblog austobt. Ich denke, dieser hier bekommt 60 % ab, der andere dafür die schöneren Fotos.
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30. Dezember 2013 um 09:27
Das sieht nach einer guten Zeit aus…weiterhin viel Spaß und Freude wünscht Leonie
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30. Dezember 2013 um 10:12
Leonie, ich bin seit dem 27. in den Morgenstunden wieder in Berlin, da ich am 26. abends auf die gleiche Weise wieder zurück gefahren bin. Den Bahnhof in Berlin kannte ich, so dass es da keine Schwierigkeiten gab.
Dir auch alles, alles Gute!
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30. Dezember 2013 um 05:29
So ein, zwei Reisesesselbilder hätte ich mir gewünscht. Die von Dir beschriebene Form des Bahntransportes erscheint mir nämlich -ähm- suboptimal. Merke mir, dass das nix für mich ist. Dann lieber am Tag fahren und den Ausblick genießen. Und den Bahnhof erkennen. 😉 ich glaube, ich hätte im Smartphone mal die Orientierungsapp eingeschaltet.
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30. Dezember 2013 um 10:10
Sie erscheint dir nicht nur suboptimal, sie IST suboptimal. – Als wir das „Etablissement“ betraten, war in einer Hand der Koffer, in der anderen der Rucksack und die dritte hatte gerade frei, die eventuell den Fotoapparat hätte halten können. Außerdem verursachten ständig Leute mit ihren Roll
schrankkoffern Stau – deswegen gab es ja gleich bei der Abfahrt 10 Minuten Verspätung. Wie kann die Bahn aber auch soblödeinfältig sein und für den Hauptbahnhof 3 Minuten Einsteigezeit planen.Zum Einschalten der Orientierungsapp wäre es zu spät, da um 4.52 noch nicht alle Sinne auf Hochtouren laufen oder mit anderen Sachen beschäftigt waren. Außerdem erwarte ich auf einem Bahnsteig auch Schilder, wo ich mich gerade befinde. Sie müssen ja nicht aller 5 oder 10 m stehen, aber drei pro Bahnsteig wären nicht zu viel.
Die Wahl dieses Zuges und dieser Sitz/Liege-Art lag an dem Sparreiseprogramm. Obwohl ich nach der Freigabe dieses Reiseabschnitts (normalerweise kann man 92 Tage im voraus bestellen, aber durch den Fahrplanwechsel am 15. Dez. gibt es immer Verzögerungen) sofort im Programm war, wurde merkwürdiger Weise nur dieser Zug als bezahlbar angeboten. Er hat auch Liegewagen und sogar Schlafwagen, aber es wurden nur die Schlafsessel angeboten.
Aber ich habe ja alles (gut) überstanden.
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30. Dezember 2013 um 10:46
Hier
http://www.google.de/imgres?newwindow=1&hl=de&tbm=isch&tbnid=HWWGB221nA1r2M:&imgrefurl=http://www.citynightline.de/citynightline/view/de/service/komfortklassen/sitzwagen/uebersicht.shtml&docid=3G-bd8rsL6KjVM&imgurl=http://www.citynightline.de/citynightline/view/mdb/citynightline/cnl/service/komfortklassen/mdb_113255_ruhesessel_mit_leuten_224x168.jpg&w=224&h=168&ei=dj_BUuX4KdGKswa8noGICQ&zoom=1&iact=hc&vpx=1152&vpy=230&dur=131&hovh=134&hovw=179&tx=54&ty=83&page=1&tbnh=134&tbnw=179&start=0&ndsp=29&ved=1t:429,r:5,s:0,i:98&biw=1536&bih=687
kannst du dir (hoffentlich) ein Bild von den Sesseln machen.
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