Langsam frage ich mich, ob ich wirklich noch in einem „ehrenwerten Haus“ lebe – weniger in dem Sinne, wie es Udo Jürgens besungen hat, sondern vollkommen anders. Ich habe jetzt schwarz auf weiß die Gewissheit, dass der Besitzer Dinge mit dem Haus vorhat, die meinen Interessen vollkommen entgegen stehen. Ich will weder rausgegrault noch raussaniert werden, sondern so lange in Ruhe und Frieden leben können, bis ich keine Treppen mehr steigen kann oder bis ich überhaupt nicht mehr leben kann, weil ich vergesse, regelmäßig Luft zu holen.
Wir sind ein Ensemble aus Vorder- und Hinterhaus, gebaut, besser zusammengepfuscht, Mitte der 90er Jahre. Im Vorderhaus sind von 17 Wohnungen 4 leer, zwei auf meiner Etage. Das wäre ja nicht tragisch, aber sie werden momentan nicht neu vermietet, dafür aufs feinste instandgesetzt. – Es ist Fakt, die Wohnungen sollen verkauft werden. Doch was passiert mit den anderen, die noch bewohnt sind? Sollen die bewohnt veräußert werden? Droht mir dann eine Kündigung wegen Eigenbedarf oder bin ich nur Steuersparmodell für jemand, der das Geld nicht dem Finanzamt geben will?. – Dreist wenn ich das Geld hätte, würde ich in meinem Alter diese Wohnung nicht kaufen, da sie in der zweiten Etage als Alterswohnsitz ungeeignet ist.
Vor einiger Zeit wurde ich von einem schrecklich kreischigen Geräusch geweckt. Neugier, dein Name sei Clara, ich gleich in die Sachen und raus auf den Flur, da es durch den Spion fast nach einem Einbruch aussah. Der anwesende Hausverwalter erzählte mir, dass die beiden Mieter seit langem nicht bezahlt hatten und sich unauffindbar verabschiedet hatten. Dabei machten sie einen recht soliden Eindruck. – Jetzt wurde die Wohnung vom Schlüsseldienst geöffnet. Der an die Tür geheftete Brief vom Obergerichtsvollzieher und das ausgewechselte Schloss machten auf die Mietflüchtlinge keinen Eindruck, denn sie wurden nicht mehr gesehen.
Und dann kam ein Freitag im März. Von überlauten Geräuschen auf dem Hausflur wurde ich geweckt. Ich stand auf – und mich überfiel schon in meinem Flur ein schrecklicher Geruch – zum Gestank wuchs er sich erst aus, als ich die Wohnungstür öffnete. Riesengroße – noch leere – Mülltonnen standen in der Nische, eine große Gruppe von Männern diskutierte heftig – die beiden Wohnungen wurden zwangsgeräumt. Bei einer konnte man nur von entrümpeln, entmüllen, entwanzen, entstinken, entlausen entsonstwas sprechen. Diese Frau war alkoholkrank (vielleicht), drogenabhängig (fast sicher) und Messie hoch drei 100%ig. In dieser 3-Zimmerwohnung sind zwei Jungen aufgewachsen, haben zusätzlich zu ihr alle Nase lang andere Liebhaber gewohnt. Nachts wurde immer mal wieder einer mit größtem Gebrüll rausgeschmissen. Zusätzlich vegetierten ein Hund, eine Katze und ein Meerschweinchen in diesem Dreckgestanknest. –
Als die Tür offen stand, roch es, als wenn entweder alle Tiere munter ihre Hinterlassenschaften in die Ecken gemacht haben oder alle verwest irgendwo rumliegen. So viel fliegendes Ungezieferzeug könnt ihr euch nicht vorstellen. Da ist ja der wochenlang nicht geleerte Briefkasten, in dem sich offenbar Mahn- und Klagebriefe häuften, ein Kinderspiel gegen das, was die Entrümpler in der Wohnung vorfanden. Sie haben alle nur mit Schutzmasken gearbeitet.
Aber das ist nicht die einzige Etagen“belustigung“. Meine unmittelbare Nachbarin sorgt nachts gegen 2 Uhr auch öfter mal durch alkoholbedingte Lautmusikexzesse für heftigen Ärger. Als der Mann noch hier lebte, rückte nachts des öfteren die Polizei an. – Oder es bellten die zwei Riesenhunde aus dem Erdgeschoss, die stundenlang allein waren und sich nicht beruhigten. Diese Mieterin ist auch schon gegangen worden. – Ihr seht, langweilig wird es hier nicht. Bloß gut, dass ich nicht belle und nicht saufe, diese Gründe für eine Zwangsräumung fallen schon mal weg.
Schlimm ist nur, dass die Verwaltung fast allen ausländischen Familien, deren wir sehr viele hier haben, schon massiv mit Kündigung gedroht hat. Ärger haben jedoch bisher nur die Deutschen gemacht: Hunde, Messie, Mietnomaden, Prügelorgien usw. usf.
Na, wenn das kein EHRENWERTES HAUS ist, dann weiß ich auch nicht. Und in diesem „Öko-Haus“ wimmelt es jetzt vor Spinnen an den Treppenflurdecken, vor Motten und vor noch viel schlimmeren Tieren, die ich gar nicht wage, hier zu erwähnen. Sie haben vier Beine, einen langen Schwanz und fangen mit „R……“ an. Schrecklich! Ich werde noch freiwillig ausziehen.