(Für die heutige 400-Wort-Überlänge des Posts ist mir keine glaubwürdige Erklärung eingefallen 🙂 )
Doch eine. Finbar = Lu hat gestern kommentiert, dass ich hier so gern und viel schreibe. Das liegt sicher daran, dass hier keiner zu mir sagt: „Deutschland fehlt ein kleiner H*i*t*l*e*r, der wieder Ordnung schafft.“ (ich übertreibe leider nicht, das habe ich zu hören bekommen) Also ist das echte Leben manchmal weitaus schlimmer als das virtuelle.
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Anschließend an diesen Bericht „Großeltern stürmen das Parlament“ kommt jetzt die Fortsetzung
Vielleicht nicht richtig als Abgeordnete, aber zumindest jetzt hier als Gäste – im wunderbaren Potsdamer Landtagsschloss.
Der letzte Beitrag hat ja ein wenig Theorie zu der Schlossbauerei gebracht – und jetzt sind wir im Inneren des Gebäudes – weil wir neugierig sind, weil wir frieren – vielleicht nur ich, die anderen sind wärmer angezogen.
Wir bekamen einen „schnuckeligen“ Erklärer, der selbst noch Student der Pädagogik mit den Fächern Deutsch und Politologie ist. Er machte seine Sache gut und engagiert. Seinen von mir sehr gelobten Schal mit lila Einfärbungen wollte er mir partout nicht schenken :-). Er erzählte mir nur, dass er ihn aus Budapest – also quasi um die Ecke 🙂 – mitgebracht hat.
Der Architekt Kulka hatte bestimmt eine sehr knifflige Aufgabe vor sich, weil er sich an die vorgegebenen Maße halten musste. Das in weiß gehaltene Knobelsdorff-Treppenhaus hat in den Ecken Figuren, die aus dem alten Schloss erhalten geblieben sind. Nur beim Geländer wich Prof. Kulka vom Original ab, auch wenn das die Bürgerinitiative „Mitteschön“ heftig gefordert hat. Die Außenfassade ist ja auch von Knobelsdorff gewesen. – An der Decke des Treppenhauses blieb man historisch.
Im Foyer laden bequeme rote Sitzbänke ein, ein Päuschen zu machen oder sich nur zu setzen, wenn die Füße müde sind. Da meine rote Küche keinen Platz für solche Luxusmöbel hat, kommt in mir auch keinerlei Begehrgedanke auf.
Der weiße Adler über der Tür auf weißem Grund hat seine eigene Geschichte. Er hing auf Vorschlag des Architekten zuerst im Plenarsaal, fand dort aber nicht das Gefallen aller Fraktionen, die lieber den Brandenburger Adler haben wollten. Deswegen musste er ins Foyer auswandern.
Der Plenarsaal bekam seinen roten Adler, aber in recht klein.
Sie scheinen sich bis auf die Farbe sehr ähnlich oder gar identisch zu sein.
Dann lauschten wir in einem Raum mit Leinwand den Ausführungen des Studenten. Unter den Stühlen war ein Glasboden, der einen Teil des Fundamentes des ursprünglichen Schlosses zeigte. – Ein wenig ist es ein eigenartiges Gefühl, wenn der eigene Stuhl auf einer Glasplatte steht – irgendwie traut man der Festigkeit nicht so richtig.
Die kleinen Details waren es, die mir gut gefielen – so zum Beispiel diese runden Treppenstufen. Ist doch mal was anderes.
So, jetzt gingen wir endlich zum Herzstück des Arbeitsschlosses – zum Plenarsaal, der von den Farben weiß und rot dominiert wird. Brandenburg ist ja eines der wenigen SPD-regierten Länder. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg als auch Meck-Pomm, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz werden ebenfalls von dieser Partei auf dem absteigenden Ast regiert. Wer weiß, wie es in der nächsten Legislaturperiode aussieht.
Bei dem ausliegenden Infomaterial war auch ein Plan mit der Sitzordnung der Abgeordneten dabei. Von den 88 Abgeordneten sind
- 30 SPD – davon 15 Frauen, also fifty/fifty
- 21 CDU – davon nur 5 Frauen (Chauvis)
- 17 Die Linke – davon 9 Frauen, fast schon vorbildlich
- 10 AfD – 2 Frauen – soll ich das nun gut oder schlecht finden, ich tendiere zu gut
- 6 Bündnis 90/die Grünen – auch fifty/fifty
- 4 fraktionslos – nur eine Frau
Es gibt keine große Koalition, sondern die SPD regiert zusammen mit den Linken, also eine rot-rote Landesregierung. Ich finde es erschütternd, dass die AfD stärker ist als die Grünen – doch das Verhältnis wird sich im Laufe der Zeit noch weiter zu Gunsten der Alternative für Deutschland verschieben, weil die Altparteien so viel rumeiern.
Damit die Abgeordneten jederzeit informiert sind, hat jeder Platz einen Computeranschluss und ein Telefon in der Sitzreihe der Fraktionsvorsitzenden und der Stellvertreter steht auch da.
Meine Mutter war ja mal Lehrerin für Stenografie und Maschinenschreiben. Wie stolz war sie immer, wenn eine ihrer Schülerinnen beim Landeswettbewerb einen Preis errungen hat. – Unser Student erzählte uns, dass ALLES von 2 Pressestenografen mitgeschrieben wird – man verlässt sich nicht auf die Technik, sondern auf Menschen, da nur diese den Namen des oder der jeweils am Mikrofon diskutierenden Person kennen. Die Stenografen werden aller 10 Minuten abgelöst, weil das Schreiben in diesem Wahnsinnstempo so unheimlich anstrengend ist für die Hand.
Folgender Seite: http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1255399 habe ich die nachfolgenden Absätze entnommen.
Den Berufsstand des Pressestenografen bei Zeitungen und des Gerichtsstenografen gibt es heute kaum mehr; wohl aber sind in den meisten deutschen Landtagen und im Bundestag Parlamentsstenografen im Plenar– und Ausschussdienst tätig. Sie beherrschen Redegeschwindigkeiten bis zu 500 Silben pro Minute.
Für Mitschriften in Lehrveranstaltungen, Vorlesungen und Kongressen ist die Stenografie ein wertvolles, kaum zu übertreffendes Arbeitsmittel für wörtliche oder auszugsweise Aufzeichnungen. Auch zur Protokollierung von Parlamentsdebatten, Konferenzen, Gerichtsverhandlungen usw. ist sie leistungsfähiger als andere Erfassungstechniken (Tonaufzeichnung, PC–Texteingabe über die Tastatur). Von professionellen Stenografen wird erwartet, dass sie mehr als 360 Silben pro Minute aufzeichnen können, um mit Rednern in schnellen Diskussionen Schritt zu halten. In dieser Geschwindigkeit könnten sie die sieben Strophen von Goethes „Zauberlehrling“ in knapp eineinhalb Minuten niederschreiben.
So, jetzt habe ich euch in Sprechgeschwindigkeit zugetextet und will nur noch wenige Fotos zeigen.
Wenn die Abgeordneten sich während eines langen Sitzungstages nach dem Himmel sehnen – hier haben sie ihn 🙂
Die „rote Front“ im oberen Bildrand ist für Zuhörer. Wenn man sich anmeldet, kann man bei solch einer Sitzung auch dabei sein.
Und das war die Sendung: „Clara macht in Politik!„
10. März 2018 um 14:19
Jetzt muss ich auch mal wie ein sehr guter Geschichtenerzähler schreiben: Danke fürs Lesen.
Die nächsten Posts werden wieder kurz, knackig und übersichtlich – und lustig.
Lieben Gruß zu dir!
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10. März 2018 um 09:27
Liebe Clara Politikus!
Das finde ich ja mal wieder sehr spannend, dass Du uns solch interessante Bilder mitbringst. Alles in allem hat man sich ja sehr modern dort ausgestattet und die Farben weiß und rot bevorzugt.
Mit den roten Sesseln kann ich jetzt weniger etwas anfangen, während die Treppenstufen wirklich wesentlich geschmackvoller sind. Ich kenne solche Treppenstufen vor allem aus einem Schwimmbad, in das ich als Kind immer gegangen bin. Da war ein rundes Becken mit Warmwasser und sprudelnden Massagefontänen. Und ganz gemütlich konnte man über diese Stufen ins Warme gelangen. Aber ich weiche ab.
Den Schal des Herrn habe ich, nachdem Du ihn beschrieben hast, natürlich auch gleich unter die Lupe genommen. Ich bin mir sicher, dass er Dir, hätte er Dich näher gekannt, sein Textil mit Hofknicks überreicht hätte. Niemand trägt lila überzeugter als Du.
Die Sache mit den Stenographen, die alle 10 Minuten abgelöst werden finde ich ebenfalls sehr spannend. Das ist ja wirklich ein unglaubliches Tempo, was die dort abliefern müssen. Alle Achtung.
Nur zum Himmel würde ich in diesem Saal nicht schauen, da kommt man sich ja vor wie im Gefängnis. Dafür bietet der Glasboden ganz ungewöhnliche Blickwinkel 🙂
Die Almkuh dankt für diese wunderbare Führung und wünscht Dir einen wunderschönen Samstag…
Liebe Grüße … so, jetzt muss ich mich vom vielen durch die Sääle laufen erstmal erholen 🙂
Mallybeau
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10. März 2018 um 14:34
Liebe Mallybeau, wenn ich dir antworten will, muss ich mich gut in der Zeit fühlen, da ich nicht hetzen möchte – und, ich muss was im Magen haben. Obwohl ich schon seit ca. 10 Uhr hier an dieser schwarzen Tastatur hacke, kommst du jetzt erst dran. Ich weiß, das ist ungerecht – aber erst einmal musste ich mir eine Portion Nudeln einverleiben.
„Clara Politicus“ – ich nun wieder, im Grunde genommen (eine Umschreibung für „eigentlich“) hasse ich Politik. In der DDR wurden wir beschummelt und besch…. – doch ich habe schon lange das Gefühl, dass es hier auch nicht besser ist. In der DDR wurde vieles nach dem großen Freund Sowjetunion ausgerichtet – hier wird es nach dem „best friend, the capital“ gemacht. Die Wirtschaft hat das Sagen, nicht die Politik – da kann man doch wirklich bald so eine Farce wie Wahlen einstellen, die kosten nur unnötig Geld.
Da es ja ein absoluter Neubau mit historischer Fassade ist, finde ich es total in Ordnung, dass man innen keine geschnitzten Polsterstühle mit Löwenfüßen hinein gestellt hat, sondern einen durchweg modernen Stil bevorzugt hat.
Die zwei roten Sitzbänke sind sicher „Anti-Lausch-Bänke“ – durch die hohen Seitenlehnen, in denen vielleicht Schallschluckelemente eingearbeitet sind, können sich die Abgeordneten Dinge um die Ohren hauen, die sie sich im Saal nicht trauen zu sagen. Und??? Was meinst du dazu?
Vielleicht sollte ich dem Herrn Architekten vorschlagen, am Ende der Stufen einen WhirlPool mit kaltem Wasser zu bauen, damit es nach hitzigen Debatten eine erfrischende Abkühlung geben kann.
Mit dem Schal und einer Bitte darum hätte ich sicher auf Granit gebissen – vielleicht hat er ihn von seinem Freund oder so bekommen, so dass er besonders wertvoll ist.
Wärest du Abgeordnete und müsstest den aggressiven Beiträgen der Alternativ-Partei lauschen, würdest du vielleicht doch durch das Loch in der Decke den Himmel anflehen, dass diese Dummbatzis endlich den Mund halten. Aber vielleicht unterscheiden sie sich wesentlich von den Personen, die es von dieser Partei in den Bundestag geschafft haben – und sie liefern nur konstruktive Beiträge.
Es freut mich, dass einige Bloggerinnen hier schreiben, dass es ihnen gefallen hat.
Mit inzwischen regenfreien Grüßen von mir und hier
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10. März 2018 um 14:39
Natürlich gefallen mir Deine Beiträge. Warum auch nicht? Ich fand’s wirklich interessant.
Und die roten Sitzbänke erinnern mich eher an Zugabteile. Die haben dort ja auch immer solche Sitzbänke. Doch welche Farbe die Bahn momentan bevorzugt, entzieht sich meiner Kenntnis. Lila etwa? 🙂
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10. März 2018 um 14:47
Hätten die lila Bänke, würde ich meine Bahnkarte nicht so selten nutzen – dann hätte ich einen Laptop und würde nur noch durch die Gegend fahren.
Vielleicht ist meine Auslegung gar nicht so schlecht – zumindest ist es ein Sichtschutz zur Nachbarbank.
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10. März 2018 um 09:07
Vielen Dank für die kundige Führung. Klasse, dass du an so etwas teilnimmst und dazu Berichte hier einarbeitest!
Als unsinnliche Knaller empfinde ich die beiden roten Sofas im seelenlosen Raum. Na ja.
Also nochmals: hervorragende Reportage!
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10. März 2018 um 13:06
Ich habe gerade die beiden Links von den Artikeln an die Chefin des Großelterndienstes gemailt. Vielleicht freut sie sich, wenn sie liest, wie begeistert das aufgenommen wird.
Vielleicht sind die beiden roten Sofas bei der Bestuhlung des Parlamentssaales übrig geblieben – denke ich aber eher nicht. Einige Sitzgelegenheiten in diesem Foyer finde ich nicht schlecht.
Und als seelenlos würde ich den Raum keinesfalls bezeichnen – denn er ist mehr oder weniger das Foyer für den Sitzungssaal. Wenn ca. 80 Parlamentarier und viele Gäste von der Besuchertribüne auf einmal Pause machen, brauchen sie schon ein wenig Platz. – An den Wänden waren Bilder untergebracht, die mir nicht so aufgefallen sind.
Ich habe mir ganz fest vorgenommen, noch einmal allein hinzufahren, um mir die ständig wechselnden Ausstellungen und anderes besser ansehen zu können.
Ich freue mich über deine anerkennenden Worte – ein wenig lob-süchtig sind ja die Löwen auf jeden Fall.
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10. März 2018 um 21:31
Gut, dass du es mir nochmal erklärt hast mit den roten Sofas – somit kann ich das Wörtchen „seelenlos“ zurücknehmen. Auf Fotos sieht man nie das Ganze.
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