Claras Allerleiweltsgedanken

Nostalgie pur: Die Fischerinsel

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Heute ist genau der richtige Tag, um diesen Artikel zu veröffentlichen. Ich weiß das und einige andere wissen es vielleicht auch.

Heute ist aber auch ein Tag, wo KEINER mit dem Namen „Himmelhoch“ am angestammten Platz ist. Die einen treiben sich in südlichen Gefilden im Ausland herum. Der andere ist ganz weit weg in Hongkong. Die nächsten treiben sich irgendwo im westlichen Ausland herum – nur ich bin in meiner Heimatstadt Görlitz und damit genau am richtigen Fleck zum heutigen Tag. Mit anderen Worten, ich bin ins SEMMELLAND gereist.

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Fünfzehn Jahre meines Berliner Mietlebens wohnte/n ich/wir auf der Fischerinsel – zuerst in der 6. Etage des Hauses  Nr. 6, vier Personen in 49 m² war nicht gerade üppig – ein Zimmer für die Kinder und Omabesuch, ein Zimmer für die, die die Kinder produziert hatten, sie liebten und von ihnen geliebt wurden.

Elf Jahre später, nämlich 1981, „erschlichen“ wir uns mit unüblichen Tricks eine Vierzimmerwohnung – genau gegenüber auf der anderen Straßenseite. Der Ausblick aus der 17. Etage war phänomenal. Wir konnten dem „bösen Onkel Springer“ fast in seine BILD-Zeitung spucken gucken.

In den schönsten Oktobersonnentagen hat es mich mal wieder dorthin getrieben. Ich finde die Wohnlage am Wasser wunderschön. Doch als ich hörte, dass seit 2014 die Mieten um 25 % gestiegen sind, war ich doch froh, dort nicht mehr zu wohnen. Vor allem gab es viel zu wenig Balkons – vielleicht hätte es uns aus der 17. Etage auch weggepustet. Der kleine Küchenbalkon war so schmal, dass er nur zur Vorratshaltung geeignet war.

Eine Politstory erinnere ich – alle Balkone sollten zu jedem 1. Mai mit einer vom Haus gestellten Fahne ge“schmückt“ werden, was mir aber nicht gefiel. Ich befestigte die Fahne an der oberen Balkonstange, ließ sie dann aber innen hängen. Es dauerte nicht lange, klingelte der Hausmeister. Auftragsgemäß sollte er das mit der Beflaggung regeln. Ich erklärte ihm, dass ich extrem höhenkrank bin und mein Mann deswegen jeden Spalt mit Holz abgedeckt hat. Deswegen kann ich die Fahne unten nicht befestigen. – So wichtig war es ihm offenbar auch nicht und wir lebten 4 Jahre ohne Balkonfahne.

In dem verlinkten Artikel steht folgendes:

Die Wohnungen waren beliebt, wer in den 1970er- und 1980er-Jahren dort einziehen durfte, galt als privilegiert. Kein Wunder, dass die Einwohner zum 1. Mai ordentlich flaggten, wie das Foto oben zeigt.

(Wer aber mit zwei Kindern nur eine Zweizimmerwohnung bekam, war nicht privilegiert, sondern musste den Rest nehmen, den die guten Genossen nicht wollten)

So näherte ich mich von der U-Bahnstation Spittelmarkt aus:

Insgesamt gesehen hat sich in den Jahren seit 1985 unheimlich viel dort verändert – nicht unbedingt alles zum positiven. Der Kindergarten, jetzt unter dem Namen Fröbel, ist noch da. Wie oft musste da die große Schwester den kleinen Bruder hinbringen, weil es die Mutter früh mal wieder nicht geschafft hatte und der Chef kein Pardon kannte. – Auf dem Spielplatz haben die Kinder allein gespielt, ohne dass einer von uns beiden um sie Angst gehabt hätte. – Und das ist die Schwimmhalle, an deren Existenz ich mich partout nicht erinnern konnte.

Als ich mir die Frontseite von der 6 anschaute, konnte ich unsere Fenster (rote Kreuze) kaum sehen – die Bäume waren inzwischen so hoch geworden, dass sie uns sicherlich schon Schatten gespendet oder Licht weggenommen hätten. Im Erdgeschoss waren ein Kiosk und ein „Späti“ eingezogen, so dass man jederzeit Bier ordern kann, so man noch Geld dafür übrig hat. – An was ich mich aber gut erinnern konnte, war das „Ahornblatt“ – eine Mehrzweckgaststätte. Die Kinder bekamen dort ihr Schulessen und im großen Saal fanden viele, viele Veranstaltungen statt. Leider hat man dieses ungewöhnliche Bauwerk abgerissen und durch diesen nichtssagenden Bau (letztes Foto) ersetzt. Der Link zum Ahornblatt ist ein sehr guter Artikel.

Ja, dann gucken wir doch mal zu dem Haus, in dem wir ab 1981 wohnten – leider nur 4 Jahre, denn dann gingen die Eltern getrennte Wege und die Kinder auch. – Ihr seht, ich beherrsche die Naturgesetze und mache mir meine Bäume, wie ich sie will. – Den Wohnungsgrundriss hat mein Sohn auf meine Bitte hin gezeichnet – ich habe ihn dann nur vergrößert. Nicht für euch habe ich ihn so schön beschriftet, sondern für mein Gedächtnis 🙂

Als ich das letzte Foto aufnahm, hörte ich hinter mir empörtes Gemurmel. Was ich denn hier mache und warum ich fotografierte. Ich erklärte, dass ich hier mal gewohnt habe und nostalgische Anfälle bekommen hätte. Daraufhin erklärte die eine Mieterin, dass sie in dem Haus seit Anfang an wohnt und sie mich nicht kennt. Ein wenig ließ sie sich beruhigen, als ich bekannte, schon 1985 aus diesem schönen Haus wieder ausgezogen zu sein und mich seit dieser Zeit geringfügig verändert hätte. Doch erst, als ich mich an den Namen der Tauschpartner erinnerte, war ich wohl rehabilitiert. – Wie war das doch, treue Genossen und viele bei der Staasi, da die Wohnungen ja so privilegiert waren.

Dann durfte ich auf den Treppenhausbalkon (Sicherheitstreppenhäuser für Brandfälle) gehen, um zu fotografieren. Das erste Foto zeigt die Fischerinsel 6, das zweite ein Panorama mit den Domen am Gendarmenmarkt.

In der frühen Abenddämmerung musste ich schnell ein Foto von der Leipziger Straße machen, die sich auch so unendlich verändert hat.

 

 

Autor: Clara Himmelhoch

Auf meinem PR = purple Roller fahre ich durch die Bloggerwelt und mache PR = Public Relation. In meinem Gepäck habe ich fast täglich eine "Überraschung" für meine LeserInnen. Hausfrauentipps und -tricks als auch Koch- und Backrezepte müsst ihr wo anders suchen.

33 Kommentare zu “Nostalgie pur: Die Fischerinsel

  1. Es ist schon außergewöhnlich einen solchen kleinen Bericht zu lesen über das Haus, in dem ich aufgewachsen bin. Meine Familie ist 1993 in die Nummer 6 eingezogen und meine Eltern wohnen noch heute da. 17. Stock mit Blick auf den Kindergarten, in den ich früher auch gegangen bin, die Nummer 9 und 10. Ich bin 2015 ausgezogen und habe in dieser Zeit zahlreiche Veränderungen miterlebt. Als ich noch ganz klein war, da wurden die Häuser saniert und vom Kindergarten aus konnte ich die Arbeiten an der Fassade beobachten. Jetzt kürzlich wurden die Fahrstühle in der 6 ausgetauscht und damit ist gefühlt das letzte bisschen Ursprünglichkeit (aus meiner Perspektive) aus dem Haus gewichen. Bis heute habe ich Albträume durch diese Veränderungen. :’D

    Mit freundlichen Grüßen,
    Friedrich

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    • Hallo Friedrich, wer so einen schönen Kommentar zu meinem Lieblingswohngebiet in Berlin schreibt, wird ganz besonders herzlich begrüßt. Ich habe 15 Jahre (1970 – 85) dort gewohnt, dann 15 Jahre im Friedrichshain. Dann bin ich für 15 Jahre nach Lichterfelde gezogen und die sicherlich letzten 15 Jahre bringe ich in Marienfelde (Tempelhof) zu. Auf der Fischerinsel war es am schönsten, nur der Balkon hat gefehlt.
      Wir hatten in der 6 die Wohnungsnummer 1006 – also die Wohnung direkt in der Fahrstuhlnische.
      Ich habe ja im Laufe meines langen Bloggerlebens öfter mal über die Fischerinsel geschrieben. Bei Interesse – schreibe ich im nächsten Kommentar, muss ich erst ermitteln.
      Nächtliche Grüße

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  2. Habe gerade noch den Artikel zum Ahornblatt gelesen. Was für eine Unverschämtheit, dass dieses Gebäude abgerissen wurde.

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  3. 17. Etage!!! Wenn ich an solchen Hochhäusern vorbei komme, denke ich oft wie es wohl wäre, da zu wohnen. Toller Bericht, Clara. Hoffe, du hast Spaß beim Klassentreffen.

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    • Ursula, wenn du Lust und Zeit hast, dann gib bei meinen Suchbegriffen Abiturbeurteilung ein. Wenn du sie gelesen hast und ich dir jetzt sage, dass zwei von den Hauptverantwortlichen für diesen Inhalt mit am Tisch saßen, dann kannst du vielleicht verstehen, dass mein Spaß ein wenig getrübt war. Außerdem habe ich bei dem Krach oder Lärm oder Geschnatter oder sonst was maximal 20 bis 30% verstanden. Ich bin froh, dass ich wieder hier in meinem Bett liege und Ruhe habe.
      Und sie, die damals alle interna über mich verraten hat, war damals meine beste Freundin.
      Irgendwie freue ich mich schon wieder auf zu Haus, obwohl ich über das Bett und über den Lärm vor dem Fenster absolut nicht klagen kann, hier ist nämlich kein Lärm.
      Liebe Grüße aus Görlitz von Clara

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  4. Ein spannender Bericht aus Deiner Vergangenheit. So etwas finde ich immer sehr interessant zu lesen.

    Um das Ahornblattgebäude ist es aber schade, das war ja mal eine ausgefallene Architektur. Der Abriss hätte nicht passieren dürfen. Tja, die Abrissbirne hat leider allzu oft gewonnen…

    Liebe Grüße von Nachteule zu Nachtschwärmerin 🙂

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    • Liebes Fellmonsterchen, ich sitze also jetzt hier auf meinem Bett in einem Görlitzer Hotel und bin mittendrin in der Nostalgie. Jetzt gehe ich gleich zu einer Freundin, mit der ich mich ab der zweiten Klasse regelmäßig gefetzt habe Punkt aber es scheint doch nicht so schlimm zu sein, denn sonst wären wir nicht jetzt noch befreundet. Und heute Abend auf das Klassentreffen bin ich ja gespannt. Mal sehen, ob ich überhaupt noch jemand erkenne. Und noch mal zum Artikel, um das Ahornblatt war es wirklich schade, das hätte man richtig gut aufmotzen können und nicht so einen blöden langweiligen Bau dort hinstellen. Ich sehe, der macht beim Schreiben schon wieder haarsträubende Fehler, weil ich ja spreche, und deswegen höre ich jetzt auf.

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  5. Umtriebig wie immer!
    Welchen Kuchen gab es beim Geburtstag, wenn ich fragen darf?
    Gern lese ich von so alten Gepflogenheiten aus sozialistischen Zeiten.
    Fröbel – wer war das nochmal?
    Bei meinen Ahnenforschungen sind welche aus Görlitz aufgetaucht ( mit Namen „Knospe“ )

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    • Was nützt WLAN, wenn es trotz Verstärker nicht bis zum Zimmer reicht. Mal sehen, ob es auch ohne geht. Ich fange von hinten an. Unser Gemüse und Alltags Krämer in Görlitz, der hieß Knospe.
      Es gab leckeren Kuchen von Coppenrath und Wiese. Abends war ich mit meiner Schulfreundin in einer Veranstaltung vom Schlesischen Museum. Die sind ja jetzt hier alle ganz große Schlesier. Wenn ich nicht so hundemüde gewesen wäre, wäre es sicherlich eine interessante Veranstaltung. Danach waren wir noch lecker essen und dann hörte mir aber von dem vielen Krach im Restaurant der Kopf und ich bin nach Hause gegangen.
      Jetzt musste ich baden, weil ich vollkommen durchgefroren war. Alle Heizungen waren ausgestellt und springen auch bei Stufe 4 im Moment nicht an. Mal sehen, ob es morgen besser ist.

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      • Das ist ja interessant, dass Euer Krämer so hieß!! Danke für die mehr oder weniger erfreulichen Antworten.
        Das mit der Heizung ist fies – und hoffentlich behoben!!

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    • Fröbel war übrigens ein Pädagoge und ein Schüler von Pestalozzi. Die Pestalozzistraße war zu meinen Görlitz Zeiten eine Parallelstraße von der Gutenbergstraße, auf der wir gewohnt haben

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  6. Liebe Clara, alles Gute und schöne Stunden in der alten Heimat. Ich war vor einem Monat da. Aber ich stehe sowieso in Deiner Schreibschuld. Das aber an anderer Stelle. Berlinerin hätte ich nie werden wollen und jetzt auch keine Görlitzerin mehr. Liebe Grüße

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    • Hallo Heidi, da das mit dem Beantworten auf dem Handy von unterwegs nicht immer gut klappt, hatte ich deinen Kommentar verschoben, bis ich wieder zu Haus bin – und jetzt wäre er mir beinahe untergegangen.
      Das Hotel und die Stadtspaziergänge und die zwei Besuche bei meinen Freundinnen waren schön – das Klassentreffen eher weniger. Wir waren im Schwibbogen – es war rappelvoll und dadurch sehr laut – schon am Tisch schrieen alle durcheinander, so dass ich so gut wie nichts verstanden habe. –
      Wenn du was von „Schreibschuld“ erwähnst, dann weiß ich aber, dass ich meine Karte an die richtige Adresse geschickt habe. Mach dir keinen Stress!
      Ich würde jetzt lieber Görlitzerin sein als Berlinerin, denn hier die Hektik geht mir manchmal ganz schön auf den Geist – aber ich werde nicht umziehen.
      Liebe Grüße zu dir

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  7. Liebe Clara!

    Gewusst wie! Sehr gut hast Du das mit der Fahne gelöst.
    Diese großen Betonklötze zu bewohnen, stelle ich mir nicht sehr angenehm vor. Vor allem, wenn man so weit oben wohnt. Das Gute daran ist natürlich der hervorragende Ausblick. Da sieht man in einer Erdgeschosswohnung höchstens auf die Mülltonnen am Straßenrand 🙂 So ein Spaziergang in die Vergangenheit ist immer interessant. Ich wünsche Dir viele schöne Eindrücke auf dem Weg nach Görlitz und hoffentlich besseres Wetter als hier.

    Liebe Grüße und gute Fahrt
    Mallybeau 🙂

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  8. Ich erinnere mich gut daran, das wir zusammen während meiner Berliner Zeit hingegangen sind und ich die Aussicht genossen habe. Du hattest auch über dein Leben zu der Zeit erzählst. Es war sehr interessant. Beeindruckt war ich ebenfalls, als Du berichtet hattest, dass die kinder aus den verschiedenen Wohnungen alle miteinander auf dem Flur gespielt hatten. Wünsche Dir eine schöne Zeit in Görlitz.

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  9. Sehr schön, Dein nostalgischer Ausflug in die Vergangenheit. Mit vier Personen auf knapp fuffzig Quadratmeter? Da ist Gruppenkuscheln angesagt und bei Gepolter kann man sich schlecht aus dem Wege gehen. Ja, es sieht sehr urban bei Dir aus. Viel viel Beton um Dich herum. Bist halt ein Stadtmensch. Und ich weiß inzwischen auch, dass ich 1000 mal lieber 1 Stunde lang in die Bi-City fahre Mit umsteigen und Unannehmlichkeiten, doch wohnen möchte ich dort auf gar keinen Fall. Ich durfte privilegiert aufwachsen. Unser Reihenmittelhaus hatte das Doppelte deiner Wohnfläche. Reich mir die Flosse, Genosse, war ein Freundetreffspruch der Achtziger…
    Zwangsbeflaggung, vom Staat verordnet? Ouuuuu Ha…..!🙈(Wenn Ostwestfalenlipper das sagen, tut es entweder wo grad schlimm weh oder echtes Unheil dräut von irgendwo)
    Das hast Du gut gemacht – da hast Du Dich elegant herumlaviert.
    Ja, ich bin dankbar, dass der Wald, das Wilde, die Natur von meinem Betonklötzchen aus zu sehen ist, dass ich schnell in den Wald huschen kann, wenn ich die Knallköppe um mich herum oder unter mir und ihren Rudelmief nicht mehr aushalten kann.
    Schönen Dank für den Beitrag und viele liebe Grüße von der Fee

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  10. Das ist ein schöner Beitrag, liebe Clara. Wenn man so will, hast du eine ganz lange Geschichte erzählt, interessant und kurzweilig. Vielleicht sollte man seine alten Orte wirklich noch einmal aufsuchen, so wie du es getan hast. Vielleicht sollte man das tun.
    Liebe Grüße

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  11. Ein schöner Ausflug nach Damals. Danke fürs zeigen, Clara😊

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