Da ich gerade beim Einkauf so richtig mit Schmackes auf einer zermatschten Erdbeere ausgerutscht bin und mir den sowieso schon lädierten rechten Arm noch weiter mit blauen Flecken verziert habe, bin ich in der genau richtigen Stimmung für die Eröffnung meines Urlaubsberichterstattungsreigen.
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Nur in diesem ersten Artikel über meinen leicht missratenen Urlaub vom 19. bis zum 29. Mai wird es etwas über die Querelen zu lesen geben – der Rest wird krankheitsfrei abgehandelt.
Nachdem ich auf einem ungewünschten Fensterplatz in der Fahrersitzreihe direkt unter dem Klimagebläse die unendlich langen Busfahrten zugebracht habe, ließen die Folgen nicht zu lange auf sich warten. „Ungewünscht“ deswegen, weil ich vom Gangplatz aus 1. schneller an der Gepäckablage und der Toilette bin und 2. mit dem linken Ohr auch eine Chance hätte, meine Sitzplatznachbarin zu verstehen. Ein Tausch war nicht möglich, sie hatte ähnliche positive Ansichten über einen Gangplatz. Aber zumindest habe ich bei den ersten Krankheitszeichen gleich ihren Pullover geborgt bekommen, um dem Zug zu entgehen. – Ich fühlte mich wie gewürgt.
Der rechte Arm ist deswegen lädiert, weil ich mich beim Stehen in meiner Sitzreihe plötzlich nicht mehr halten konnte und rückwärts über den Gang auf der gegenüberliegenden Bank plus hartem Griff aufgeschlagen bin.
Der beginnende Schnupfen wuchs sich aus und ließ beim Bücken in den Kieferhöhlen einen unangenehmen Schmerz auftreten, der beim gleich und sofort dazu eintretenden Husten nicht unbedingt besser wurde. Man konnte mich echt mit dem Hund von Baskerville verwechseln.
Am dritten Tag passierte mir während der Fahrt ein Missgeschick – ich wollte Cola mit Wasser verdünnen und in eine andere Flasche füllen. Leider ging das gründlich schief – und die Jeans war im Schritt bis auf die Haut nass. Das hat meine Blase RICHTIG übel genommen und entwickelte eine Cystitis. In der Apotheke gab es nur (unwirksame) pflanzliche Mittel, da Antibiotika ärztlich verordnet werden müssen. Heizkissen für die Nacht oder Badewanne zur Erwärmung war nicht – ich war ja schon froh über eine Duschwanne, in die ich einen Stöpsel stecken konnte, um in dem heißen Wasser zu sitzen. Leider gab es die erst am Ende der Reise. – Von Mitreisenden bekam ich Aspirinkomplex und Ibuprofen geschenkt, das half ein wenig. In der Apotheke kaufte ich mir ACC 600, was den Husten anfing zu lösen – doch bis zum Erlöschen des Hustens haben die 10 Stück nicht gereicht.
Von Tag zu Tag steigerte sich die Blasenentzündung und hatte am 26. ihren Höhepunkt. Wir waren ca. 30 km von Riga in einem Hotel untergebracht. – Ich bekam Fieber, leichten Schüttelfrost und Schmerzen, die mich am Denken hinderten.
Der Busfahrer – eine richtige Reiseleitung hatten wir nicht – sprach mit der Niederlassung des Reiseunternehmens „Happy Day Touristik“ und diese Dame besorgte einen Krankenwagen, der sowieso nach Riga fuhr und mich mitnahm. Ihr seht meine Schuhe in dem Wagen mit dem grünen Kreuz.
Dann erkundigte er sich nach der Adresse des Klinikums. Am nächsten Tag – die Reiseroute ging über Riga – sollte ich um 9.30 Uhr an der Straße stehen und in den Bus einsteigen, der mich abholte. Das habe ich auch brav gemacht. – Meine einzige Angst war der Akkustand meines Handys, mit dem ich ja noch telefonieren musste. Ein Ladekabel hatte ich natürlich nicht dabei. – Die Verständigung mit dem Personal war für mich sehr schwierig – Deutsch konnte niemand. Und das Englisch war so stark eingefärbt oder so schnell, dass ich auch nur wenig verstand.
Antibiotikum- und Schmerzmitteltropf stillten erst einmal die schlimmsten Beschwerden. – Die restliche Nacht von 0.00 Uhr bis 7.30 Uhr verbrachte ich in einem Raum mit 6 Betten. Ich war den Schwestern sehr sehr dankbar, dass sie um mein Bett Sichtblenden stellten. So konnte ich mir nur anhand der (schrecklichen) Geräusche ausmalen, was sich gerade in den anderen Betten abspielte. – Dann löste ich in der Klinikumsapotheke die beiden Rezepte ein. – Bevor ich das Klinikum verlassen durfte, musste ich bezahlen. – Die Summe für die bezahlte Allroundversicherung und die Ausgaben hielten sich in etwa die Waage – jetzt muss ich nur noch mit der Versicherung abrechnen.
In Apotheken gab ich das meiste Geld in diesem Urlaub aus. – Frau gönnt sich doch sonst nichts – hahaha!
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So weit die allgemeine Schilderung. Worüber ich mich maßlos geärgert habe, passierte am letzten Tag.
Der Chemnitzer Busfahrer und seine Frau liebten mich wohl nicht sonderlich. Der Frau habe ich kaum etwas von ihren überteuerten Speisen und Getränken abgenommen. Der Kaffee schmeckte mir nicht und mich ärgerten die ständigen Plastikbecher, die nur 3/4 gefüllt zum Reisegast kamen.
Den Busfahrer hatte ich mal wegen seines exzellenten Fahrstils und der Schnelligkeit beim Kofferverladen gelobt, aber gleichzeitig gesagt, dass ich höchstens 10 % von dem verstehe, was er den ganzen Tag über so durchsagt. – Ich hatte vorher andere gefragt, die zwar nicht so viele Schwierigkeiten hatten wie ich, aber längst auch nicht alles verstanden. Es ist schon schwierig für Berliner, einen Chemnitzer zu verstehen. Aber ich verstehe ja auch keine Hessen, Schwaben oder Bayern, was auch 1993 mit guten Ohren schon so gewesen ist.
Und dann spielte sich auf der Heimfahrt folgendes ab:
Er zog Resümee über die Fahrt. Dann erwähnte er, dass eine Mitreisende ins Krankenhaus gebracht werden musste. Er sei aber kein Taxiunternehmen und hätte das gar nicht machen müssen (so seine Worte sinngemäß – mir stieg gleich der Blutdruck vor lauter Ärger – zumal alles ER festgelegt hat, wie ich mich zu verhalten habe.
Die Reiseroute ging von Lilaste, wo das Hotel war, über Riga nach Vilnius. Er musste nicht einen einzigen Umwegkilometer fahren.
Beim Empfang meines Koffers in Berlin bedankte ich mich mit sarkastischem Unterton dafür, dass er mich nicht in Riga ausgesetzt hat.
Da ging sein Gemaule erst richtig los. Er: „Ich habe mit der Geschäftsleitung des Reisebüros ‚Happy day Touristik‘ in Berlin telefoniert (dort weiß aber keiner von so einem Anruf) und die meinten: „Die Frau ist erwachsen, die muss selbst zusehen, wie sie nach Hause kommt.“ – (Diesen Reiseabbruch hätte keine Versicherung akzeptiert, da es ja nur eine ambulante Erkrankung war.)
Ein Punkt des Pauschalreiserechts nach BGB lautet:
Der Reiseveranstalter leistet dem Reisenden Beistand, wenn dieser sich in Schwierigkeiten befindet.
Wahrscheinlich hat er von mir ein Bakschisch erwartet, was aber nicht kam. Und er wusste natürlich nicht, dass mein Beitrag zum allgemeinen Sammelbetrag sehr großzügig ausgefallen war.
Wozu braucht ein Ehepaar kurz vor seinem 70. Lebensjahr noch so unendlich viel Kohle???