Der Arzt packte Felix in sein Auto und nahm ihn mit in die Praxis, um ihn zu röntgen. Er wollte gute Beweise in der Hand haben, wenn er sich an die Polizei wendet. Eine andere Alternative sah er bei der Schwere dieser Misshandlungen nicht, denn Vater und Mutter von Felix hatten deutlich die Grenzen ihrer Erziehungskompetenz überschritten.
Der Arzt war schließlich einzig und allein nur wegen Felix gekommen, aber das wusste dieser zum Glück nicht, weil er sonst wohl doch Verdacht geschöpft hätte.
Aber ihm war auch klar, dass er ohne Felix nichts machen kann, wenn der – wie früher immer – dabei bleibt, dass alle Wunden und Narben die Folgen irgendwelcher ominöser Unfälle sind, dann ist der Arzt machtlos.
Als er die Röntgenbilder sieht, weiß er, dass manche Frakturen dem Jungen schon im Kleinkindalter zugefügt wurden, andere sind aus neuerer Zeit.
Er schließt sein Sprechzimmer gegen jegliche Störung ab, gibt seiner Vorzimmerkraft Bescheid und spricht mit Felix. Er erzählt ihm, dass seine Eltern straffällig geworden sind, dass das unter Kindesmisshandlung fällt – sein Vater mehr, seine Mutter geringfügig weniger. Felix soll sich entscheiden, ob der Arzt etwas unternehmen soll. Felix bittet darum, dass erst eine Pflegefamilie gesucht werden soll, damit er nicht ins Kinderheim muss.
2015 – an alte Zeiten denken
Er bittet Felix, ihm eine kurze Bedenkzeit zu geben und verlässt das Zimmer, um ungestört telefonieren zu können. Ihm waren Erinnerungen an alte Zeiten gekommen.
Er erinnert sich an seine Nichte und an die Zeit von vor ca. 15 Jahren. Er weiß noch wie heute, wie unglücklich sie war, als sie nach der Fehlgeburt und der Operation gesagt bekam, dass sie keine Kinder mehr bekommen kann. – Und dann versucht er sich an Anno zu erinnern, wie glühend der sich für seinen Freund Felix eingesetzt hat. Natürlich ist Felix mit seinen knapp 15 Jahren kein Baby und kein kleines Kind mehr – aber Hilfe braucht er trotzdem. Außerdem hat der Arzt Angst, dass es bei Felix zu Haus irgendwann eskaliert, weil Felix eben nicht mehr so klein ist, dass er sich noch lange schlagen ließe, ohne sich zu wehren. Und dabei könnten mehrere Personen unglücklich werden.