Felix war ja mit seinem Alter – er stand wie Anno kurz vor seinem 20. Geburtstag – durchaus in der Lage, eine eigene Wohnung oder zumindest ein eigenes Zimmer irgendwo zu beziehen. Doch komisch, keiner der Beteiligten schnitt dieses Thema an, keiner hatte ein ungutes Gefühl. Bessere Freunde hätten die beiden jungen Männer nicht sein können und die Eltern von Anno fühlten sich, als wenn sie endlich die zwei erwünschten „Kinder“ hätten.
Annos Vater ging es momentan gerade schlecht. Obwohl noch nicht einmal 50, hatte er vor kurzem einen leichten Schlaganfall erlitten. Deswegen kam es überhaupt nicht in Frage, dass er sich für die Gartenarbeit verantwortlich fühlte. Dort musste ein Baum unbedingt gefällt werden, weil die Gefahr bestand, dass er mit seiner Krone auf das Dach des Hauses fallen würde.
Zuerst wollten das die beiden „Knaben“ selbst machen, doch dann überkam sie Gott sei Dank Schiss vor ihrer eigenen Courage und sie stellten auch folgerichtig fest, dass ihnen die gesamte Ausrüstung dafür fehlte.
Die Mutter war es, der plötzlich Kay einfiel. Ein wenig hatten sich die jungen Männer aus den Augen verloren – es gab keine Notwendigkeit der Existenz einer Dreier- oder Viererbande mehr, alle Gefahren waren aus dem Weg geräumt. Doch alle wussten, dass Kay schon immer sehr naturverbunden war und deswegen Landschaftsgärtner werden wollte – und es hatte auch mit einer Lehrstelle geklappt. Gleich und sofort griff Anno zu seinem Handy – und der Kontakt war auf Anhieb wieder so gut, wie er in den letzten Jahren gewesen war.
Anno wollte nicht alles am Telefon erzählen, also kam Kay am Wochenende zum Essen vorbei. Er freute sich, auch Anna dabei zu treffen und schnallte es nach 10 Sekunden, dass Anno und Anna ein Paar waren. Übrigens waren auch die Eltern Domini ganz glücklich über diese Entwicklung, besonders die Mutter, die sich doch soooooooooo gern auch eine Tochter gewünscht hatte.
Ob Pflegesöhne oder Schwiegertöchter – alles war Mutter Domini recht, um den Kinderfundus aufzustocken. Und jetzt machte sie sich schon Hoffnungen auf Enkel – im Alter von 41 Jahren ja nicht ganz von der Hand zu weisen.
Nach der Begrüßung besah sich Kay den Baum. Sportlich und kräftig, wie er nach wie vor war, konnte er diesen Baum wahrlich nicht als „Herausforderung“ ansehen. Der Arbeitseinsatz für alle, die sich um das Kleinholz kümmern mussten, wurde anberaumt und eine Woche später zeigte nur noch ein ganz flacher Stumpen, dass hier mal ein Baum Schatten gespendet hatte.
Kay erklärte sich bereit, für die Neuanpflanzung eines neuen, schon ziemlich großen Baums zu sorgen.
Am Abend blieb genügend Zeit, über alte Zeiten zu reden. Ganz besonders herzlich nahm Felix Kay in den Arm, dem beim Erzählen von seinem Schicksal mit seinen Prügeleltern die Tränen gekommen waren. Von dem alten Raubein Kay war nicht mehr viel übrig, er hatte sich zu einem ganz prächtigen Kerl entwickelt, der bald eine Familie gründen wollte.
Anno lud Kay zu einer Riesenparty ein, die anlässlich des 21. Geburtstages von Felix und Anno stattfinden sollte. Beide hatten mit 10 Tagen Unterschied im gleichen Monat Geburtstag, also einigte man sich auf die Mitte. Felix war nicht abergläubisch, dass Vorfeiern Unglück bringen würde – Hauptsache, es wurde überhaupt gefeiert.
2021 – Offen für die Zukunft
Die Party zum 21. Geburtstag von Anno und Felix war toll, laut und feucht – das Bier floss in Strömen, dennoch lag keiner unter dem Tisch.