Claras Allerleiweltsgedanken


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2058 – Spirale des Lebens

Die Zeit ging ins Land und der Bauch von Felicitas wurde immer größer. Sie kann sich noch erinnern, wie oft ihre Mutter davon erzählt hat, wie sich ihr Bruder Benno im Bauch benommen hat – nämlich wild und ungestüm. Wenn sie das zum Maßstab nahm, dann konnte sie nur eine brave, ruhige Tochter bekommen. Ihr Mann und sie (entschuldigt bitte, dass ich euch die standesamtliche Trauung vorenthalten habe, aber wir können ja schließlich hier nicht nur feiern) hatten sich entschlossen, auf vollkommen herkömmliche Weise auf das Kind zu warten, also sich vorher keine Geschlechtsvoraussage geben zu lassen. Bei allen Ultraschalluntersuchungen schauten beide bewusst nicht auf den Bildschirm – sie wollten sich überraschen lassen. Außerdem konnten sie als Laien meistens eh nur eine Spirale erkennen.

Felicitas stimmte für ein Mädchen, denn sie hatte noch die ganz süßen rosa Stiefelchen aus ihrer Babyzeit – die hätte sie gern ihrer Tochter angezogen. – Maximilian wünschte sich einen Sohn, damit er sich nicht so allein im Werkzeugkeller fühlt. Max ist nämlich eher ein typischer Theoretiker und bestenfalls konnte der promovierte Chemiker irgendwelche Gemische zur (ungewollten) Explosion bringen – das behauptete jedenfalls immer seine Schwiegermutter, bevor sie ihn herzlich in den Arm nahm.

Alle Vorbereitungen laufen auch für Claudias 80. Geburtstag. Zuerst sollte es einen gemeinsamen Kurzurlaub aller Gäste in der Lüneburger Heide geben – doch das verhinderte Felis geburtsreifer Bauch – sie wollte doch lieber in der Großstadt bleiben, möglichst in der eigenen. Also wurde umgeplant – es wurde ein Ferienhaus in Dresden gemietet, nahe bei der Wohnung der jungen Eltern in spe.

Alle sind angereist und Felicitas bekommt die ersten Wehen – deswegen wird der Toast auf Claudias 80. schon am frühen Nachmittag ausgesprochen. Claudia ist aufgeregter als Felicitas, schließlich ist es ja ihr erstes Urenkelkind von ihrem ersten Enkelkind und von ihrem ersten (und einzigen) Sohn – da kann man schon mal aufgeregt sein.

Die Gäste wollen sich gerade in den großen Raum zum kalten Büffet begeben, da stöhnt Felicitas kurz auf und sagt: „Macht’s mal gut, Leute, ich muss noch schnell das Geburtstagsgeschenk für Oma „holen“ gehen.

Als sie im Geburtshaus erzählt, dass ihre Oma heute ihren 80. feiert und hier in Dresden zu Besuch ist, geben sich beide Hebammen und die diensthabende Ärztin besondere Mühe, dass es noch an diesem Abend klappt. Maximilian drückt immer abwechselnd die Hand und – wenn er die Aufforderung bekommt – auch den Bauch seiner Frau. Das gefällt dem kleinen Etwas jenseits der Bauchdecke offenbar nicht so gut und es arbeitet sich Zentimeter für Zentimeter dem Ausgang entgegen.

Ufffffffffffffff, das war knapp, die Uhr zeigte 23.55 Uhr, da ertönte ein kräftiger Schrei. Die Hebamme meinte doch tatsächlich, bei 3 oder 4 Minuten nach der Zeit hätte sie ein Auge zugedrückt – na gut, war ja nun nicht nötig.

Maximilian sah es als erster, das er vorläufig weiter allein in seinen Werkzeugkeller gehen muss. – es sei denn, seine Tochter Cora wird ein handwerklich hochbegabtes Mädchen, das mit Bohrmaschine und Kreissäge besser umgehen kann als mit Küchenmaschine und Kochlöffel. – Felicitas stieß einen Freudenschrei aus und rief: „Sie bekommt die rosa Schuhe!!!!“ – woraufhin sich die Hebammen etwas befremdet ansahen. Die Story wurde schnell erzählt, denn Felicitas musste sowieso noch 2 Stunden zur Beobachtung bleiben, bevor sie mit Mann und Kind nach Hause durfte.

Für den kurzen Namen Cora, den man kaum verkleinern und verniedlichen konnte, hatten sich die „leidgeprüften“ Eltern mit den langen Namen   F E L I C I T A S    (9 Buchstaben) und   MAXIMILIAN (10 Buchstaben) ganz bewusst entschieden. Felicitas weiß noch genau, wie sie früher immer ihren Bruder BENNO um die vier Buchstaben weniger beneidet hatte.

Am nächsten Mittag zum Brunch bringen die stolzen Eltern die Kleine mit und Uroma Claudia droht vor Freude zu platzen. Sie gratuliert besonders der jungen Mama, denn die musste gestern Nacht hart arbeiten. Und dann lacht sie ganz schelmisch, als sie den Namen hört: „Cora“. Sie freut sich, dass die Urenkelin mit dem gleichen Anfangsbuchstaben anfängt wie sie selbst. Felicitas kennt ihre Oma ziemlich gut und fragt sofort: „Warum lachst du denn so anders als sonst?“ „Tja, hätte deine Tochter einen Namen mit vielen, vielen Buchstaben gehabt, könntet ihr jetzt um einige Hundert Euro reicher sein, denn ich habe mir vorgenommen, das Kind bekommt für jeden Buchstaben seines Namens 100,00 Euro von mir geschenkt. Prompt und ohne viel nachzudenken kommt von Maximilian grinsend: „Sie hat ja einen Doppelnamen und heißt Cora-Corinna“, was ihm aber keiner abnimmt.

Claudia sagt dann nur noch: „Na gut, das Geld für diesen Doppelnamen bekommt ihr dann zur kirchlichen Hochzeit geschenkt – doch dazu sollte es nicht mehr kommen. Die standesamtliche Trauung hatten Felicitas mit dickem Bauch und Maximilian mit stolz geschwellter Brust in aller Stille kurz vor der Entbindung durchge“zogen“, denn Max musste seine Feli streckenweise wirklich ziehen, weil ihr das Laufen in den letzten Wochen sehr schwer fiel.