Claras Allerleiweltsgedanken

Wir gingen zusammen in den Kindergarten …

19 Kommentare

… wir lernten in der gleichen Klasse rechnen und schreiben

… wir lebten im gleichen Land, bis ihr 1956 nach Aachen „gezogen seid“

… und jetzt bist du nicht mehr da!

Dieses „nicht mehr da sein“ empfand ich schon viel früher, denn Alzheimer hatte fast alle deine Erinnerungen gelöscht – aus allen Jahrzehnten. Vor Jahren war ein Besuch bei dir geplant – und nach sehr vielen Erklärungen und Erinnerungen sogar mit dir am Telefon vereinbart. Der Tag war da, ich stand vor deiner Wohnungstür, doch niemand öffnete. Zum Glück hatte ich die Telefonnummern beider Söhne – und der Ältere sagte mir: „Sie freut sich auf dich, sie ist vielleicht kurz in ihr Lieblingseinkaufscenter gegangen!“ – Also ging ich ihr entgegen – und da kam sie auch schon. Wir trafen uns – und 10 Sekunden hielt ich ihre Frage „Verzeihung, wer sind Sie denn, ich kenne Sie nicht“ für einen üblen Scherz, bis ich begriff, dass es bitterster Ernst war.

Ich weiß nicht genau, aus welchem Jahr dieses Foto ist – ist es noch in der DDR fotografiert? Hast du es mir schon aus Aachen geschickt?  Dazu ist das alles zu lange her – ich bin überhaupt erstaunt, dass es in meinem Fotoarchiv zu finden ist.

Die langen Jahre der deutschen Trennung waren auch wir fast getrennt, zumal du lange Jahre in Nigeria wohntest. Deinen Mann hattest du in Hamburg als Medizinstudenten kennen gelernt – aber er war nicht nur ein sehr guter Mediziner, er war noch ein viel besserer Geschäftsmann und wollte in sein Heimatland zurück. Da inzwischen zwei ganz hübsche kleine Jungen eure Familie belebten, hast du kurzerhand deinen Lebensmittelpunkt nach Afrika verlegt.

Irgendwann kam die deutsche Vereinigung, irgendwann kam die Trennung von deinem Mann, denn der hatte vom ehelichen Leben, vor allem von ehelicher Treue weitaus andere Vorstellungen als die deutschen Ehefrauen sie haben. Deine Söhne bekamen einige Halbgeschwister, worauf es dich dann doch wieder nach Deutschland zog. Versüßt wurde diese Trennung durch eine exzellente Eigentumswohnung in einem sehr schönen Hamburger Stadtteil.

Die Söhne leben halb in Deutschland, halb in Afrika, bekamen selbst Kinder und der jüngere betrieb eine lange Zeit mit afrikanischen Geweihen, die kunstvoll verziert waren, ein Geschäft. Ich hatte mal darüber geschrieben.

Durch ein Klassentreffen begegneten wir uns erneut und konnten unsere damals beendete Freundschaft auf Sparflamme weiterführen. Durch deine Vermittlung lernte ich noch eine Freundin aus der Nähe von Kiel kennen – und zu dritt haben wir so einige schöne Sachen erlebt.

Sehr schön fand ich den Besuch der Hamburger Gartenschau, der sich bis Norderstedt ausbreitete. Wir waren echt beschäftigt. Freundlichst wurden wir von den Maskottchen der Gartenschau begrüßt – das nenne ich Gendergerechtigkeit!

 

Wie fast immer bei Gartenschauen beleben Kleinkünstler das Geschäft – aber hier ist der Begriff „klein“ nicht passend, denn es sind eher „Groß“künstler.

So erwachsen wir waren, so „Verrückte Hühner“ konnten wir trotzdem sein. Na gut, manchmal nehme ich es mit dem Federvieh nicht so genau – und wir waren eben dann Watschelenten, je älter wir wurden. Aber „verrückte Hühner“ können auch auf einem Frosch reiten.

Ist denn das erste Tier nicht ausgesprochen wonnig? Ganz im Gegensatz zum Krokodil, das aber in einer solchen Ausführung auch keine Angst macht.

Die gezeigte Kunst war zum Teil recht eigenwillig.

Und keine Gartenbauausstellung kommt ohne einen Grabteil aus – doch damals dachten wir nicht unbedingt vorrangig an Tod und unsere eigenen Gräber. Das zweite Foto stellt jüdische Gräber dar.

Und ganz zum Schluss bekommst du diesen Blumenstrauß von mir, liebe Freundin.

Außer meinen Verwandten sind bisher hier im Blog nur Leute gestorben, die alle jünger waren als ich. Du kommst zwar  nicht aus der Bloglandschaft – aber du bist die erste, die älter ist oder war als ich – wenn auch nur 2,5 Monate. Der „Blitz“ schlägt immer dichter ein.

 

 

 

 

Autor: Clara Himmelhoch

Auf meinem PR = purple Roller fahre ich durch die Bloggerwelt und mache PR = Public Relation. In meinem Gepäck habe ich fast täglich eine "Überraschung" für meine LeserInnen. Hausfrauentipps und -tricks als auch Koch- und Backrezepte müsst ihr wo anders suchen.

19 Kommentare zu “Wir gingen zusammen in den Kindergarten …

  1. Und hoffentlich noch lange lange soooo schön und gut schreiben auf Deinem Blog wie bisher:-))

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  2. Das hast Du wirklich toll geschrieben,Clara…Alles Liebe Corinna

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    • Hallo Corinna, Manche Hinterbliebenen wären bestimmt froh, wenn sie auf dem Rechner des oder der Verstorbenen einen fix und fertigen Nachruf finden würden. Wer kann sich selbst am besten beschreiben und einschätzen als derjenige oder diejenige, die nicht mehr da sind.
      Aber vielleicht ist man selbst eben doch nicht ganz objektiv, sondern viel zu subjektiv. Also werde ich es lassen.

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  3. Liebe CC,
    Einen lichten und herzlichen Nachruf in Erinnerungen hast Du Deiner Freundin gewidmet. Ich lasse Dir ein paar warm glimmende Gedanken hier. Für jeden meiner Toten eine leuchtende Erinnerung . Es ist jetzt schon ein kleines Lichtermeer.
    Liebe Grüße
    Amélie 🌱

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    • Hallo, liebe Fee – ich denke, ich habe auf meinem Blog jetzt genügend Nachrufe geschrieben oder aus irgendwelchen Gründen NICHT geschrieben – ich möchte jetzt bitte, bitte alle Leute animieren, noch lange hier bei uns in unserer Bloggergemeinschaft zu bleiben, denn manchmal ist Abschied nehmen richtig schwer. Hier kann ich das gar nicht so richtig sagen, weil der Abschied eigentlich schon vor Jahren stattgefunden hat. Wenn man sich mit jemand nicht mehr unterhalten kann und sich auch nicht von Gesicht zu Gesicht begegnet, dann ist keinerlei Austausch mehr möglich.
      Ich glaube, ich bin nicht so der Typ, an manche Tote zu denken – sogar, wenn ich sie recht gut leiden konnte. Aber wenn sie fern von mir wohnten und uns wenig miteinander verbunden hat – wie z.B. mit meinem Halbbruder – da denke ich bestenfalls am Todestag und am Geburtstag dran, weil sie in meinem Kalender stehen.
      Außer meinem Lieblingsmensch Heiko sind noch nicht so viele ganz, ganz enge Menschen gestorben – der Blog ist für mich doch immer noch etwas anderes als das tägliche Leben.
      Liebe Grüße zu dir von
      Clara

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  4. Oooooch, Tränen kommen….
    Wie wunderbar du diesen Blogbeitrag gestaltet hast, so weichmütig, sanft, bunt, mit letzten Bildern und Gedanken so richtig „veredelt“…dieser Frau sehr, sehr würdig!

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    • Ihr zwei beiden wart Kolleginnen – sie hat u.a. auch Englisch unterrichtet, das zweite Fach weiß ich nicht so genau, es könnte Deutsch gewesen sein. Aber sie war natürlich jetzt schon eine ganze Zeit im Ruhestand – sie hat aber wirklich bis zum Schluss in der Schule ausgehalten.
      Mit Enkelkindern war sie nicht so gefordert – der eine vom großen Sohn ist schon ziemlich groß, ich glaube, so ähnlich alt wie mein ältestes Enkelkind, und vom zweiten Sohn hatte sie eine Enkeltochter – aber beide Söhne haben nicht mit der Mutter ihrer Kinder zusammen gelebt.
      Freut mich, dass offenbar alle einen Bericht über einen Menschen, den sie gar nicht kennen, dennoch gern gelesen haben.

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  5. Moin Clara. Nr. 3. Ich weiß auch nicht, warum jeden Kommentar wieder mit „Moin“ anfange, zumal wenn die nacheinander am selben Tag erfolgen. Egal, das ist so drin bei mir. 😉
    Ja, solche traurigen Geschichten gehören leider zum Leben dazu. Wenn ich so links und rechts neben mich schaue, dann fehlen da auch schon ein paar mir sehr lieb gewesene Leute. Ich denke manchmal, dass das wie in einem Zug ist: Menschen verlassen ihren Platz und steigen aus, andere Menschen kommen dazu und nehmen deren Platz ein. Und wir sind die Schaffner: „Wer ist zugestiegen? Die Fahrkarten bitte!“
    Demenz. Ich bete inständig, dass ich davon verschont bleibe. Ich habe es bei unserer ehemaligen Tagesmutter miterlebt, die für meine Tochter so etwas wie eine Oma war. Heute erkennt sie noch nicht einmal ihre eigene Tochter und meine schon gar nicht. Traurig. Oder mein Onkel hier, der nach einem Schlaganfall auch so etwas wie dement ist. Aber wenigstens erkennt er uns noch, auch wenn er heute nicht mehr weiß, was gestern war. Ach ja, ach ja ….
    Trotz alledem meine liebe Clara: Lass uns munter bleiben! Lass uns das Leben genießen, wir haben nämlich alle nur dieses ein. (Seggwiese vu’ne Klookschieters 😉

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    • Im Norden sagt man doch immer Moin, egal wie spät es ist 🙂

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    • Ich würde sehr gern auch mit „Moin“ anfangen, aber das würde irgendwie aufgesetzt wirken, wo ich doch aus dem tiefsten Süden komme. Zufällig in Bayern geboren, zum Glück schon mit 8 Monaten nach Görlitz zurückgeführt, dann ab 1970 in Berlin, der MITTE DEUTSCHLANDs wohnend (nicht schlagen!!!‘) und dann drei Jahre mit Hamburg geliebäugelt. Wäre er nicht gestorben, könnte ich vielleicht schon seit 1997 aus Hamburg bloggen.
      Ich bin zwar schon bei vielen Sachen sehr vergesslich und kann Stunden damit zubringen, irgend welche Sachen zu suchen – dennoch hoffe auch ich inständig, dass das nichts mit Alzheimer zu tun hat, sondern nur Dusseligkeit und Vergesslichkeit sind.
      Du Klookschieter, ich habe es im Urin – und das ist jetzt nicht krankhaft – ich weiß, dass ich dich irgendwann sehen werde.
      Und tschüss (das ist das umgekehrte Moin von dir!) sagt Clara

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  6. Einen ergreifenden Nachruf hast du geschrieben, liebe Clara. Die Freundin hat dir trotz längerer Trennung viel bedeutet. Jemandem Lebewohl zu sagen ist immer etwss schwer, aber schön ist es, wenn man so in Erinnerung behalten wird.,

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  7. Liebe Clara, das Foto mit dem Frosch mag ich auch sehr – ich mag aber auch das mit dem Seitenprofil.
    Ein wirklich schöner Nachruf.

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    • Helma, bei Barbara könnte ich noch nicht einmal voller Überzeugung sagen: „Wie schön wäre es, wenn sie noch leen würde“. Ein Leben jenseits allen Bewusstseins ist – zumindest in meinen Augen – kein richtiges Leben mehr.
      Ich hatte sie schon mal in einem Artikel erwähnt. Da ging es um das Spicken. Ich schrieb:
      „Zum ersten Mal … einen Spickzettel geschrieben (1952)
      Clara ist in der ersten Klasse; das erste Diktat, bestehend aus 5 Wörtern, wird vorbereitet (und, das …)
      Freundin Barbara und sie beschließen, einen Spickzettel zu schreiben, obwohl sie alle Wörter auswendig und richtig schreiben können
      Claras Zettel bleibt unter der Bank, Barbara wird erwischt und verpetzt ihre Mittäterin
      Fazit: Spickerkarriere vorzeitig wegen Nichteignung abgebrochen
      Irgendwann habe ich ihr diesen „Verrat“ ganz großzügig 🙂 😉 verziehen.

      Der Nachruf für Lucie
      https://chh150845.wordpress.com/2017/01/24/nie-mehr-lachen-wir-gemeinsam-am-telefon/
      ist mir viel, viel mehr an die Nieren gegangen, sie war gerade mal Anfang 60. Und eine Freundin vom Doppelkopf Anfang 50 – über sie hatte ich auch geschrieben.
      Es soll ja Leute geben, die ihre eigene Beerdigung bis ins kleinste planen, sich auch selbst die Rede schreiben – vielleicht sollte ich meinen Nachruf auch alleine schreiben – wer kann meine „schwarze Seele“ besser verbergen als ich? 🙂
      Lasse es dir gut gehen!

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  8. Das ist ein schöner Nachruf, Clara, und ja, die Einschläge kommen dichter …

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    • Danke – wenn ich so überlege, sind bis auf Verwandte und meinen Lebensgefährten alles Leute gestorben, die jünger oder sogar viel jünger waren als ich – Barbara ist die erste aus meinem Geburtsjahrgang. Mit der „ersten“ ist das nicht ganz korrekt, denn aus meiner Abiturklasse leben ca. 5 nicht mehr – aber zu denen hatte ich nach dem Abi kaum Kontakt, nur bei den ersten Klassentreffen.
      Der Nachruf für Lucie ist mir am meisten an die Nieren gegangen:
      https://chh150845.wordpress.com/2017/01/24/nie-mehr-lachen-wir-gemeinsam-am-telefon/
      Ich hatte Barbara schon mal in einem Artikel erwähnt. Da ging es um das Spicken. Ich schrieb:
      „Zum ersten Mal … einen Spickzettel geschrieben (1952)
      Clara ist in der ersten Klasse; das erste Diktat, bestehend aus 5 Wörtern, wird vorbereitet (und, das …)
      Freundin Barbara und sie beschließen, einen Spickzettel zu schreiben, obwohl sie alle Wörter auswendig und richtig schreiben können
      Claras Zettel bleibt unter der Bank, Barbara wird erwischt und verpetzt ihre Mittäterin
      Fazit: Spickerkarriere vorzeitig wegen Nichteignung abgebrochen

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  9. Das Foto auf dem Frosch ist – finde ich – ein sehr berührendes Erinnerungsfoto. Möge sie in Frieden ruhen !

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    • Natürlich wünsche ich ihr das auch, denn dieses Leben war kein richtiges Leben mehr. Aber es ist schon eigenartig Punkt sie ist wirklich die Person außer meiner Mutter natürlich, die ich am längsten in meinem Leben kannte.

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