Claras Allerleiweltsgedanken


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Gegen das Vergessen …

… trage ich dieses Portemonnaie mit mir herum. Die Kinder wachsen, wachsen, wachsen … man kommt ja gar nicht so schnell hinterher. Manchmal gelingt es den Müttern nicht so richtig, mit dem Wachstum ihrer Kinder mitzuhalten – für sie bleiben sie immer die Kleinen.

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Sollte ich mich mal nicht an MICH oder meinen Namen erinnern, dann schaue ich entweder auf mein Telefon-Display oder auf meine Krankenkassenkarte – da steht alles geschrieben.

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1102 GesundheitskarteDoch wer mich kennt, weiß, dass ich eigentlich auf etwas anderes hinaus möchte. Es geht mir um Vergessen im traurigen Sinne, um Demenz. Da hilft kein Fotokalender, kein Fotoalbum – die Betrachterin weiß nicht mehr, was sie da für Bilder anschaut, wer da lächelt oder Klavier spielt oder eine Superfigur auf einem Spielgerät abgibt. Die Familie wird trotz Fotos vergessen. Die Enkelkinder werden schon vom Grauschleier des Vergessens gestreift – die nächste Generation bin dann ich. – Der Gedanke ist schrecklich, dass sie mich bei einem Besuch für ??? oder ??? hält.

Oder es kommt Post. Da steht was wie: „Gut, dass es dir im neuen Heim so gut gefällt …“ – Darauf der Kommentar: „Stimmt ja gar nicht!“ Irritierte Nachfrage von mir, und dann „Ich bin doch gar nicht in einem neuen Heim.“ -Das kann gut sein oder schlecht – auf jeden Fall hatten die Pfleger im „alten Altenheim“ Unrecht, wenn sie meinten, sie hätte sich in den 5 Jahren nur an dieses eine Heim gewöhnt.

Immer wieder frage ich mich: Ist Demenz Gnade oder „Strafe“ – letzteres wahrscheinlich mehr für die Angehörigen als für die Betroffenen.

Die Behörden jedenfalls „vergessen“ meine Mutter nicht. Vor ein paar Tagen wurde extra ein Termin anberaumt, in dem eine Amtsrichterin festlegen musste, ob nachts die Bettgitter gegen aus-dem-Bett-fallen hochgestellt werden dürfen oder nicht. Ich finde in diesem Fall die amtliche Sorge übertrieben – das Pflegepersonal hält diese Maßnahme für angebracht, die Ärztin befürwortet das, ich als Vorsorgeberechtigte möchte es, da sie schon mehrfach aus dem Bett gefallen ist, u.a. 2007 im Krankenhaus mit schwerwiegenden Folgen für ihren rechten Arm – aber das allein reicht nicht, das Amtsgericht meint, in 10 Minuten die richtige Entscheidung zu treffen. Es geht in Amtssprache um Freiheitsentzug – ich sehe es so, dass ein unten gelassenes Bettgitter das Recht auf Stürze vor dem Bett oder aus dem Bett heraus erhöht. – Ein im Rollstuhl angelegter Sicherheitsgurt würde ähnlich bewertet. Der Gesetzgeber schreibt den Autofahrern einen Sicherheitsgurt vor – aber hier darf er nicht sein. Manchmal verstehe ich nicht alles. –  Zum Glück war Frau P. sehr verständnisvoll und hat die hochgestellten Bettgitter befürwortet. Jetzt ist sie also während des Schlafs gut behütet. (was man sich in etwas anderer Form im Fotoblog ansehen kann.)

Doch unter welche Form des Vergessens fällt denn dieses Foto? Schweinerei? Schlamperei? Umweltsauerei? – moni hat Schuhe gezeigt, Berlin kann größer, schlimmer, schrecklicher!

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Meine Oma fährt im Hühnerstall mit Rollstuhl …

oder: „Heimliches Training für die Paralympics“

Vorgeschichte: Im Nov. 2007 ist meine Mutter in und mit ihrem eigenen AOK-Rollstuhl in dieses Heim eingezogen.

„Frau Ue., meine Mutter wird in einer Woche aus dem Krankenhaus entlassen und bis dahin möchte ich, dass ihr Rollstuhl im Zimmer steht – sie wird ihn dringend brauchen.“

„Ja, geht klar, Frau Himmelhoch, ich kümmere mich darum. Ich kann mich gut daran erinnern, dass sie den Rollstuhl für Ihre Mutter auf der Fahrt nach Hannover mitgenommen haben. Er wird im Keller ein wenig nach hinten gerutscht sein.

Drei Tage vergehen ergebnislos und nichts steht im Zimmer.

Frau Ue., sie denken aber bitte an den Rollstuhl? Ich würde gern vorher nochmal kontrollieren, ob alles damit in Ordnung ist, da er ja so lange im Keller stand. blablabla“

Frau Himmelhoch, der Hausmeister und ich, wir haben den ganzen Keller durchsucht – wir finden den Rollstuhl nicht. Sie sind aber sicher, dass Sie ihn nach der Fahrt nach Hannover wieder bei uns abgegeben haben? Der müsste doch sonst da sein!“

Ein ganz leichter Unmut steigt in mir auf, da ich für solche sinnlosen „Plaudereien“ im Moment so gar keine Zeit habe. Doch freundlich antworte ich.

„Da bin ich mir 100%ig sicher, denn ich hätte kaum Platz für eine Unterbringung – und im Zimmer meiner Mutter steht er ja nachweislich nicht. Da müssen Sie mal die Suche intensivieren – vielleicht ist er ja auf einer falschen Wohnetage bei einem rollstuhl-losen Patienten gelandet – kann ja mal vorkommen.“

Und so naht der Tag der Entlassung – in Bezug auf den Rollstuhl ohne Ergebnis. Bei der dritten Ansprache war mein Ton nicht mehr ganz so freundlich, nicht mehr ganz so entspannt – sondern merklich gereizt.

„Frau Ue., übermorgen wird meine Mutter entlassen und Sie haben den Rollstuhl immer noch nicht gefunden. Sie wissen ja , dass meine Mutter hier aus dem Heim auszieht und da will sie ihn natürlich mitnehmen, denn sie kann nicht einen einzigen Schritt auf eigenen Füßen laufen. „

„Frau Himmelhoch, der Hausmeister hat ca. eine Stunde ergebnislos nach dem Rollstuhl gesucht – ich bin ganz fest der Meinung, dass sie ihn nach der Fahrt nicht mehr hier bei uns abgeben haben, denn sonst müsste er ja zu finden sein!“

Am liebsten hätte ich geantwortet: „Ach, stimmt ja, ich übe ja immer schon heimlich für die Paralympics damit, falls ich mich auch mal neben die Toilette setze – meine Frühdemenz ließ mich das vergessen! Entschuldigen Sie bitte!“ – Aber es hätte die Gefahr bestanden, dass sie das geglaubt hätte, also ich:

„Ich werde mich an die Residenzleitung, Frau K. , wenden, das wird mir hier langsam zu blöd albern.“

Mail geschrieben und sie mit der Rollstuhlsuche „beauflagt“. Viel Hoffnung machte ich mir nicht, weil sie auf mich sauer sind, weil ich Ihnen eine gewisse Teilschuld an dem Unfall in die Schuhe geschoben habe (zweiter Haltegriff  fehlte) und weil ich zum 31.12. gekündigt hatte.
Doch erstens kommt es anders, zweitens als man denkt.
Als ich beim nächsten Besuch gleich an der Rezeption nach dem Fortschritt bei der Rollstuhlfahndung frage, wird mir bedeutet, einen Moment zu warten.

Mir wird ein Schreiben vorgelegt, aus dem hervorgeht, dass das Heim Anfang März die Rückholung bei der AOK veranlasst hat, weil es im Keller „klemmte“. Weder die Station noch ich wurden darüber informiert, ich hätte sogar zustimmen oder unterschreiben müssen. – Rückruf bei der AOK und dem Abholerteam bestätigte Richtigkeit aller Angaben – und plötzlich kam das „Gedächtnis“ von Frau Ue. wieder:

„Frau H., ohne mich wüssten Sie immer noch nicht, wo der Rollstuhl abgeblieben ist, denn ich führe einen Ordner über alle Zu- und Abgänge solcher Art. Und dort fand ich dieses Schreiben.
Aber übrigens, wo sind denn die Stores aus dem Zimmer Ihrer Mutter, die Sie beim Einzug 2007 nicht wollten?“

Die letzte Frage von ihr lasse ich jetzt unkommentiert, denn ich gehe seit 5 Jahren zu jedem Fasching als „Gardinenkönigin“ – aber das habe ich ihr nicht verraten *verleumderisch  und diabolisch grins* – Die sollen doch mit ihren Gardinen zum Teufel gehen – seit Jahren gibt es solche „Tageslichtkiller“ weder bei mir noch in der Wohnung meiner Mutter.


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Hier ist guter Rat teuer …

… oder kommt er hier kostenlos?

Fakten:

Eine sehr alte Bewohnerin im Altenpflegeheim verunglückt schwer, weil sie sich versehentlich neben die Toilette setzt. Begünstigt bzw. „ermöglicht“ wird dieser Unfall dadurch, dass kein Haltegriff rechts neben der Toilette angebracht ist.

Folgen dieses Unfalls sind wahrscheinliche Bettlägerigkeit für die nächste Zeit, vollkommene Gehunfähigkeit und eine sofortige Erhöhung der Pflegestufe von Eins auf Drei – was monatlich eine Differenz von ca. 400,00 € ausmacht. Statistiken sagen aus, dass in diesem Alter das Risiko, an den Folgen des Sturzes durch Dekubitus oder Pneumonie zu sterben, 14 mal höher ist als bei Patienten unter 65.

Fragen:

  1. Sind zwei Haltegriffe (rechts und links)  Pflicht oder „Kür“ in Behinderteneinrichtungen? Ich habe da unterschiedliche Auskünfte bekommen. Der große, klappbare Haltegriff verhindert u.a., dass sich Leute neben die Toilette setzen können.
  2. Hat die verunglückte Person eine Chance, die Pflegeeinrichtung durch deren vernachlässigte Sorgfaltspflicht an den zu erwartenden Kosten zu beteiligen bzw. Schmerzensgeld einzufordern?

Ich würde mich sehr freuen, wenn mir jemand sachkundige Auskunft geben kann.

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Jetzt ist das Geheimnis gelüftet, warum ich mich in den letzten zwei Wochen hier etwas rar gemacht habe. Es war ja nicht schwer zu erraten, dass die verunglückte Bewohnerin aus dem Altenheim meine Mutter ist. Sie ist am 11.11. am frühen Nachmittag gestürzt und gegen 18.00 Uhr schon in den OP geschoben worden. – Und jetzt bin ich froh, dass ich nicht zum gestrigen Ewigkeitssonntag einen Todesfall betrauern muss. Dennoch habe ich erstmalig das Gefühl, dass sie die ersten Schritte auf ihrer letzten Reise angetreten hat, obwohl sie gar keine Schritte mehr gehen kann.

Einiges Organisatorische muss ich noch regeln, bevor sie am 6. oder 13. Dezember – falls es eine Verlängerung der geriatrischen Reha gibt – aus dem Krankenhaus entlassen wird. Momentan kann sie noch nicht einmal stehen – entweder begreift sie nicht, was man von ihr will oder was sie machen soll, oder sie „will es nicht mehr wollen.“

Die Adresse und Telefonnummer einer Anwaltskanzlei, die auf Stürze im Altenheim und die Schadenersatzansprüche der Geschädigten spezialisiert sind, habe ich schon aus dem Netz gefischt – aber ich wollte es eigentlich außergerichtlich lösen.