… wir lernten in der gleichen Klasse rechnen und schreiben
… wir lebten im gleichen Land, bis ihr 1956 nach Aachen „gezogen seid“
… und jetzt bist du nicht mehr da!
Dieses „nicht mehr da sein“ empfand ich schon viel früher, denn Alzheimer hatte fast alle deine Erinnerungen gelöscht – aus allen Jahrzehnten. Vor Jahren war ein Besuch bei dir geplant – und nach sehr vielen Erklärungen und Erinnerungen sogar mit dir am Telefon vereinbart. Der Tag war da, ich stand vor deiner Wohnungstür, doch niemand öffnete. Zum Glück hatte ich die Telefonnummern beider Söhne – und der Ältere sagte mir: „Sie freut sich auf dich, sie ist vielleicht kurz in ihr Lieblingseinkaufscenter gegangen!“ – Also ging ich ihr entgegen – und da kam sie auch schon. Wir trafen uns – und 10 Sekunden hielt ich ihre Frage „Verzeihung, wer sind Sie denn, ich kenne Sie nicht“ für einen üblen Scherz, bis ich begriff, dass es bitterster Ernst war.
Ich weiß nicht genau, aus welchem Jahr dieses Foto ist – ist es noch in der DDR fotografiert? Hast du es mir schon aus Aachen geschickt? Dazu ist das alles zu lange her – ich bin überhaupt erstaunt, dass es in meinem Fotoarchiv zu finden ist.
Die langen Jahre der deutschen Trennung waren auch wir fast getrennt, zumal du lange Jahre in Nigeria wohntest. Deinen Mann hattest du in Hamburg als Medizinstudenten kennen gelernt – aber er war nicht nur ein sehr guter Mediziner, er war noch ein viel besserer Geschäftsmann und wollte in sein Heimatland zurück. Da inzwischen zwei ganz hübsche kleine Jungen eure Familie belebten, hast du kurzerhand deinen Lebensmittelpunkt nach Afrika verlegt.
Irgendwann kam die deutsche Vereinigung, irgendwann kam die Trennung von deinem Mann, denn der hatte vom ehelichen Leben, vor allem von ehelicher Treue weitaus andere Vorstellungen als die deutschen Ehefrauen sie haben. Deine Söhne bekamen einige Halbgeschwister, worauf es dich dann doch wieder nach Deutschland zog. Versüßt wurde diese Trennung durch eine exzellente Eigentumswohnung in einem sehr schönen Hamburger Stadtteil.
Die Söhne leben halb in Deutschland, halb in Afrika, bekamen selbst Kinder und der jüngere betrieb eine lange Zeit mit afrikanischen Geweihen, die kunstvoll verziert waren, ein Geschäft. Ich hatte mal darüber geschrieben.
Durch ein Klassentreffen begegneten wir uns erneut und konnten unsere damals beendete Freundschaft auf Sparflamme weiterführen. Durch deine Vermittlung lernte ich noch eine Freundin aus der Nähe von Kiel kennen – und zu dritt haben wir so einige schöne Sachen erlebt.
Sehr schön fand ich den Besuch der Hamburger Gartenschau, der sich bis Norderstedt ausbreitete. Wir waren echt beschäftigt. Freundlichst wurden wir von den Maskottchen der Gartenschau begrüßt – das nenne ich Gendergerechtigkeit!
Wie fast immer bei Gartenschauen beleben Kleinkünstler das Geschäft – aber hier ist der Begriff „klein“ nicht passend, denn es sind eher „Groß“künstler.
So erwachsen wir waren, so „Verrückte Hühner“ konnten wir trotzdem sein. Na gut, manchmal nehme ich es mit dem Federvieh nicht so genau – und wir waren eben dann Watschelenten, je älter wir wurden. Aber „verrückte Hühner“ können auch auf einem Frosch reiten.
Ist denn das erste Tier nicht ausgesprochen wonnig? Ganz im Gegensatz zum Krokodil, das aber in einer solchen Ausführung auch keine Angst macht.
Die gezeigte Kunst war zum Teil recht eigenwillig.
Und keine Gartenbauausstellung kommt ohne einen Grabteil aus – doch damals dachten wir nicht unbedingt vorrangig an Tod und unsere eigenen Gräber. Das zweite Foto stellt jüdische Gräber dar.
Und ganz zum Schluss bekommst du diesen Blumenstrauß von mir, liebe Freundin.
Außer meinen Verwandten sind bisher hier im Blog nur Leute gestorben, die alle jünger waren als ich. Du kommst zwar nicht aus der Bloglandschaft – aber du bist die erste, die älter ist oder war als ich – wenn auch nur 2,5 Monate. Der „Blitz“ schlägt immer dichter ein.