Bevor ich den Beitrag hier veröffentlichen wollte, habe ich mich einen weiteren Nachmittag auf Straßenbahnkreuzfahrt durch den ehemaligen Osten von Berlin begeben. Alle Stadtteile, wie da sind: Ahrensfelde, Hohenschönhausen, Hellersdorf und Marzahn wurden aus den Straßenbahnscheiben beäugt. Wenn ich mich in die Seele eines Westlers hineindenke, kann ich mir vorstellen, dass der ob so einer Stein“wüste“ entsetzt ist. Die DDR hatte in etwa drei Typen von Wohnungbauhöhen. Kurz nach dem Krieg waren die Neubauten noch 3-4 geschossig, doch das änderte sich – Bauland war knapp und teuer. Man fing mit 5-Geschossern an (ohne Fahrstuhl natürlich), die dann mit einer Sondergenehmigung auf 6 Etagen ausgeweitet wurden. Die jungen Mütter, die ihr Kind und die Einkaufstaschen tragen mussten, konnten sich das Geld für das Fitnessstudio sparen. – Dann kamen die 10-Geschosser, die fast alle als 11-Geschosser gebaut wurden. (Entschuldigt die laxe Ausdrucksweise, aber mein Ex arbeitete im Wohnungsbaukombinat und da wurden die Häuser so genannt.) – Dort in diesen Stadtteilen gab es überdurchschnittlich viele richtige Hochhäuser, die mindestens 20 Etagen hatten.
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Ich bin mir nicht im klaren, was ich eigentlich beabsichtige: Will ich den in der DDR üblichen Plattenwohnungsbau verteidigen oder will ich zeigen, dass im anderen Teil Deutschlands auch nicht viel anders gebaut wurde, weil die Platte eine der kostengünstigsten Bauweisen für den Massenwohnungsbau ist? Wie oft hat Besuch aus dem Westen unsere riesigen Stadtteile Marzahn, Hellersdorf, Ahrensfelde und Hohenschönhausen belächelt, denn sie bestanden – bis auf winzige Altbaureste – ausschließlich aus Plattenbauten. Ich denke, die Leute, die vorher in einer versifften Altbauwohnung gewohnt hatten, waren froh und glücklich über eine bezahlbare Wohnung, die hell, trocken, Heizung und Warmwasser und zu 80 % auch einen Balkon hatte.
Hier in Berlin-West, wo ich seit 2000 wohne, gibt es ebenfalls mehr als genug Plattenbauten. Vielleicht waren sie fassadenmäßig nicht so grau und unscheinbar wie die DDR-Bauten, aber die DDR hatte finanziell eben auch das „kürzere Hemd“ an.
Wenn ich ehrlich bin, verstehe ich bis heute nicht richtig, warum die „Platte“ so einen schlechten Ruf hat. Erinnert euch an die Fotos vom Hochhaus in Marienfelde: da standen die 10geschossigen Bauten auch dicht bei dicht. In Großstädten, wo das Bauland Gold wert ist, muss in die Höhe gebaut werden. Wir sind mit unseren Hausetagen immer noch sehr bescheiden – andere Länder, u.a. die Amis, bewegen sich in Werten von 60 Etagen aufwärts.
Der Brandschutz wurde z.B. in solchen Häusern, in denen ich jetzt wohne, ziemlich vernachlässigt. An den Fahrstühlen hängt: 
Bei mir ist im Treppenhaus eine Klappe in der Decke, die ich mit einem Haken an einem langen Stock öffnen könnte, um bei Brandgefahr aufs Dach zu flüchten. – Als ich irgendwann in der zweiten Etage wohnte, wollte mir ein Freund dicke Handschuhe und ein mit vielen Knoten versehenes langes Seil beschaffen, damit ich mich im Ernstfall aus dem Fenster abseilen kann. Wenn man so etwas nicht öfters trainiert, dann fällt man wohl wie ein nasser Sack von dem Seil ab. Ich hätte dann lieber auf die Feuerwehr gewartet.
Jetzt bleibt mir als Fluchtort nur mein eigener Balkon. Die Feuerleitern der Rettungsfahrzeuge sind nicht so lang und ins Sprungtuch über die Balkonbrüstung möchte ich auch nicht unbedingt springen. Da haben es die richtigen Hochhäuser besser – da ist das Treppenhaus separat und extra brandschutzgesichert. Die Treppenhausloggien an zwei unterschiedlichen Seiten des Hauses müssen alle Bewohner einer Etage aufnehmen können.
Jetzt will ich einfach noch ein paar farbige Fassaden aus Ostberlin zeigen, wie ich sie auf einer Straßenbahnfahrt durch die Stadt aufgenommen habe.
An einem Giebel konnte ich täuschend echt gemalte Balkons entdecken. Erinnert ihr euch noch an die Häuser in Hellersdorf?

Aber es gab noch viele andere bunte Häuser oder besser: farbige. Dadurch, dass der Osten früher so grau war, fühlten sich viele Hauseigentümer – in diesen Fällen immer große Hausverwaltungen – bemüßigt, ihre Wohnblocks aufzuhübschen. Viele liefen im Schönheitswettbewerb ihren Kumpeln im Westen davon. Doch auch dort hat man in den kritischen Wohngebieten (leider wohnten im Westen in der Platte meist nur sozial Schwache, so dass es dort häufig zu Konflikten kam) viel getan, um diese Wohnviertel aufzuwerten. (Die schwarzen Rahmen sind die S-Bahnfenster, doch ich wollte nicht überall aussteigen.)

Und dann fuhr ich an ganz vielen Schafen vorbei – genau gegenüber vom Ev. Krankenhaus Königin Elisabeth Herzberge. Und gleich und sofort an Gudrun gedacht.

Manche Wohnblocks sind weniger farbig, aber fast alle saniert und in ordentlichem Zustand. Die Mieten sind immer noch bezahlbarer als in meiner Gegend – darüber schreibe ich auch noch.
Wenn ich – wie so oft – einen Obdachlosen sehe, bin ich so glücklich, dass ich eine schöne warme Wohnung habe. Ich fände es undankbar, darüber zu zetern, dass sie nicht in einem Einfamilienhaus ist.
Als ich mit der Straßenbahn unterwegs war, kam ich an der Windmühle in Marzahn vorbei – ein Überbleibsel der ehemaligen dörflichen Umgebung. Mich hat vielmehr dieser Fahrgast irritiert. Lag es an seiner Armut, lag es an etwas anderem? Aber Leute ohne Zähne wirken im Gesicht recht eingefallen. So möchte ich nicht rumlaufen müssen. – Immer wieder musste ich heimlich hinschauen, wie er krampfhaft bemüht war, den Mund zusammen zu kneifen.

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