(Für die heutige 400-Wort-Überlänge des Posts ist mir keine glaubwürdige Erklärung eingefallen 🙂 )
Doch eine. Finbar = Lu hat gestern kommentiert, dass ich hier so gern und viel schreibe. Das liegt sicher daran, dass hier keiner zu mir sagt: „Deutschland fehlt ein kleiner H*i*t*l*e*r, der wieder Ordnung schafft.“ (ich übertreibe leider nicht, das habe ich zu hören bekommen) Also ist das echte Leben manchmal weitaus schlimmer als das virtuelle.
***************
Anschließend an diesen Bericht „Großeltern stürmen das Parlament“ kommt jetzt die Fortsetzung
Vielleicht nicht richtig als Abgeordnete, aber zumindest jetzt hier als Gäste – im wunderbaren Potsdamer Landtagsschloss.
Der letzte Beitrag hat ja ein wenig Theorie zu der Schlossbauerei gebracht – und jetzt sind wir im Inneren des Gebäudes – weil wir neugierig sind, weil wir frieren – vielleicht nur ich, die anderen sind wärmer angezogen.
Wir bekamen einen „schnuckeligen“ Erklärer, der selbst noch Student der Pädagogik mit den Fächern Deutsch und Politologie ist. Er machte seine Sache gut und engagiert. Seinen von mir sehr gelobten Schal mit lila Einfärbungen wollte er mir partout nicht schenken :-). Er erzählte mir nur, dass er ihn aus Budapest – also quasi um die Ecke 🙂 – mitgebracht hat.
Der Architekt Kulka hatte bestimmt eine sehr knifflige Aufgabe vor sich, weil er sich an die vorgegebenen Maße halten musste. Das in weiß gehaltene Knobelsdorff-Treppenhaus hat in den Ecken Figuren, die aus dem alten Schloss erhalten geblieben sind. Nur beim Geländer wich Prof. Kulka vom Original ab, auch wenn das die Bürgerinitiative „Mitteschön“ heftig gefordert hat. Die Außenfassade ist ja auch von Knobelsdorff gewesen. – An der Decke des Treppenhauses blieb man historisch.
Im Foyer laden bequeme rote Sitzbänke ein, ein Päuschen zu machen oder sich nur zu setzen, wenn die Füße müde sind. Da meine rote Küche keinen Platz für solche Luxusmöbel hat, kommt in mir auch keinerlei Begehrgedanke auf.
Der weiße Adler über der Tür auf weißem Grund hat seine eigene Geschichte. Er hing auf Vorschlag des Architekten zuerst im Plenarsaal, fand dort aber nicht das Gefallen aller Fraktionen, die lieber den Brandenburger Adler haben wollten. Deswegen musste er ins Foyer auswandern.
Der Plenarsaal bekam seinen roten Adler, aber in recht klein.
Sie scheinen sich bis auf die Farbe sehr ähnlich oder gar identisch zu sein.
Dann lauschten wir in einem Raum mit Leinwand den Ausführungen des Studenten. Unter den Stühlen war ein Glasboden, der einen Teil des Fundamentes des ursprünglichen Schlosses zeigte. – Ein wenig ist es ein eigenartiges Gefühl, wenn der eigene Stuhl auf einer Glasplatte steht – irgendwie traut man der Festigkeit nicht so richtig.
Die kleinen Details waren es, die mir gut gefielen – so zum Beispiel diese runden Treppenstufen. Ist doch mal was anderes.
So, jetzt gingen wir endlich zum Herzstück des Arbeitsschlosses – zum Plenarsaal, der von den Farben weiß und rot dominiert wird. Brandenburg ist ja eines der wenigen SPD-regierten Länder. Die Stadtstaaten Berlin, Bremen und Hamburg als auch Meck-Pomm, Niedersachsen und Rheinland-Pfalz werden ebenfalls von dieser Partei auf dem absteigenden Ast regiert. Wer weiß, wie es in der nächsten Legislaturperiode aussieht.
Bei dem ausliegenden Infomaterial war auch ein Plan mit der Sitzordnung der Abgeordneten dabei. Von den 88 Abgeordneten sind
- 30 SPD – davon 15 Frauen, also fifty/fifty
- 21 CDU – davon nur 5 Frauen (Chauvis)
- 17 Die Linke – davon 9 Frauen, fast schon vorbildlich
- 10 AfD – 2 Frauen – soll ich das nun gut oder schlecht finden, ich tendiere zu gut
- 6 Bündnis 90/die Grünen – auch fifty/fifty
- 4 fraktionslos – nur eine Frau
Es gibt keine große Koalition, sondern die SPD regiert zusammen mit den Linken, also eine rot-rote Landesregierung. Ich finde es erschütternd, dass die AfD stärker ist als die Grünen – doch das Verhältnis wird sich im Laufe der Zeit noch weiter zu Gunsten der Alternative für Deutschland verschieben, weil die Altparteien so viel rumeiern.
Damit die Abgeordneten jederzeit informiert sind, hat jeder Platz einen Computeranschluss und ein Telefon in der Sitzreihe der Fraktionsvorsitzenden und der Stellvertreter steht auch da.
Meine Mutter war ja mal Lehrerin für Stenografie und Maschinenschreiben. Wie stolz war sie immer, wenn eine ihrer Schülerinnen beim Landeswettbewerb einen Preis errungen hat. – Unser Student erzählte uns, dass ALLES von 2 Pressestenografen mitgeschrieben wird – man verlässt sich nicht auf die Technik, sondern auf Menschen, da nur diese den Namen des oder der jeweils am Mikrofon diskutierenden Person kennen. Die Stenografen werden aller 10 Minuten abgelöst, weil das Schreiben in diesem Wahnsinnstempo so unheimlich anstrengend ist für die Hand.
Folgender Seite: http://deacademic.com/dic.nsf/dewiki/1255399 habe ich die nachfolgenden Absätze entnommen.
Den Berufsstand des Pressestenografen bei Zeitungen und des Gerichtsstenografen gibt es heute kaum mehr; wohl aber sind in den meisten deutschen Landtagen und im Bundestag Parlamentsstenografen im Plenar– und Ausschussdienst tätig. Sie beherrschen Redegeschwindigkeiten bis zu 500 Silben pro Minute.
Für Mitschriften in Lehrveranstaltungen, Vorlesungen und Kongressen ist die Stenografie ein wertvolles, kaum zu übertreffendes Arbeitsmittel für wörtliche oder auszugsweise Aufzeichnungen. Auch zur Protokollierung von Parlamentsdebatten, Konferenzen, Gerichtsverhandlungen usw. ist sie leistungsfähiger als andere Erfassungstechniken (Tonaufzeichnung, PC–Texteingabe über die Tastatur). Von professionellen Stenografen wird erwartet, dass sie mehr als 360 Silben pro Minute aufzeichnen können, um mit Rednern in schnellen Diskussionen Schritt zu halten. In dieser Geschwindigkeit könnten sie die sieben Strophen von Goethes „Zauberlehrling“ in knapp eineinhalb Minuten niederschreiben.
So, jetzt habe ich euch in Sprechgeschwindigkeit zugetextet und will nur noch wenige Fotos zeigen.
Wenn die Abgeordneten sich während eines langen Sitzungstages nach dem Himmel sehnen – hier haben sie ihn 🙂
Die „rote Front“ im oberen Bildrand ist für Zuhörer. Wenn man sich anmeldet, kann man bei solch einer Sitzung auch dabei sein.
Und das war die Sendung: „Clara macht in Politik!„