Claras Allerleiweltsgedanken


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Retrospektive 1975 – 85 (4)

Bleibt das jetzt so, dass mir zum Beginn eines neuen Artikels ein Nachsatz zum vorhergehenden einfällt? Es ist der Vergesslichkeit einer „älteren Dame“ geschuldet.

Am 17. lief in 3SAT der Film „Zwei Tage Hoffnung“ – er zeigte die Geschehnisse am 17. Juni in Berlin mit der brutalen Niederschlagung durch russische Soldaten. – Für mich war besonders ergreifend, dass diese Straße, die der Ausgangspunkt des Aufstandes war, genau die ist, in der ich von 1985 bis 2000 gewohnt habe – die ehemalige Stalinallee. – Leider ist der Film nicht in der Mediathek – ich hätte ihn gern noch einmal gesehen.

Das Jahr 1968 war nicht nur das Geburtsjahr unserer Tochter, sondern da bewegte der „Prager Frühling“  viele Gemüter in Ost und West. Der Gatte war gerade Bausoldat – das sind Soldaten, die den aktiven Dienst an der Waffe verweigerten – und überall schlugen die Wellen hoch. In der CSSR wollte die Führung unter Dubcek eine Liberalisierung durchsetzen. – Und auch hier vereitelte das in erster Linie die Sowjetunion, der ich ja im vorigen Artikel die Haupt“schuld“ am Bau der Mauer gebe. – Jetzt zum aktuellen Gechehen.

Es geht um die Zeit zwischen 30 und 40 –

also schon mehr als erwachsen in den Jahren von 1975 bis 1985

Mit diesem Foto will ich den Reigen eröffnen – so sieht sich Clara in dieser Zeit. Und da ihr mich damals alle noch nicht gekannt habt, könnt ihr gar nicht widersprechen.

Wohnungsmäßig spielte sich alles auf der Fischerinsel ab – in der Retrospektive eines der schönsten Wohngebiete, wo ich je meine Zelte aufgeschlagen habe. Das untere Foto hätte eigentlich schon beim letzten Beitrag erscheinen sollen, denn wir haben diese Wohnung in der Fischerinsel 6 in der 6. Etage mit einer Kinderanzahl von zwei und einer Zimmeranzahl von zwei 1970 bekommen. – Natürlich war es überall zu eng und zu wenig Platz – aber es war die erste eigene Wohnung mit allem Komfort, den sich damals ein DDR-Bürger wünschen und vorstellen konnte. Das schönste für mich war der Telefonanschluss, der damals kaum mit Gold aufgewogen werden konnte. – Es war zwar ein sogenannter „Doppelanschluss“, aber ich glaube, mein Telefonpartner musste oft länger als ich auf eine freie Leitung hoffen oder warten, denn ich habe leidenschaftlich gern telefoniert.

Der Umzug in die richtige und familiengerechte Wohnung erfolgte 1981 – die Querelen dazu will ich hier nur verkürzt ausbreiten. – Die erhoffte Zuweisung einer größeren Wohnung über die Arbeitsstelle meines Mannes klappte nicht – und er wollte weder im Tausch gegen unsere super gefragte Vollkomfortwohnung auf der Fischerinsel in eine Altbauwohnung außerhalb des Zentrums oder gar mit Ofenheizung ziehen. – Also kamen wir, besonders ich, auf eine sehr absurde Idee – aber ich habe in dieser Enge sehr gelitten, denn ich habe nebenbei einige berufliche Weiterbildungen gemacht und hätte oft mehr Ruhe gebraucht. – Über eine „Pro-forma-Scheidung“ 1978 mit der entsprechenden Familienteilung bekamen wir die Zuweisung von seiner Arbeitsstelle für eine neue Zweizimmerwohnung in Marzahn – ganz dicht an dem später sehr bekannten Gelände von „Die Gärten der Welt“.

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Clara bekommt Telefon (1985)

Bei einer Scheidung in der DDR ging es nicht nur darum, die persönlichen Erinnerungen aufzuteilen nach dem Motto, wer bekommt welche Fotoalben, Schallplatten oder Bücher. „Bücher“, „Schallplatten“ – das hört sich für Leute, die nicht in einer solchen (teilweise bewusst herbeigeführten) Mangelwirtschaft groß geworden sind, so an, als wenn man sie doch einfach bei Amazon oder im Laden nachkaufen könnte. – Mit Nichten (auch nicht mit Neffen) – dafür musste man Beziehungen haben, damit man diese Bückware bekam, zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Fleck stundenlang in der Schlange stehen. Na ja, vorbei, dafür hatten wir damals immer das nötige Geld für die wenigen guten, aber preiswerten Bücher.

Also wurden diese Exemplare, an denen von beiden Seiten Herzblut hing, ausgelost – bei uns zumindest.
Doch dann ging es ja auch noch darum, die größeren Sachen zu teilen wie Wohnung, Garten oder Auto. Bei der Wohnung hilft das Gericht, bei den anderen die finanzielle Situation

Doch wer hilft bei der Teilung der Telefonnummer? Es brächte ja nichts, wenn jeder 4 Ziffern der Nummer bekommt!

Die Wartezeit auf einen neuen Telefonanschluss lag in manchen Gegenden der DDR im zweistelligen Jahresbereich, wenn der Antrag nicht durch ärztliche Atteste, betriebliche Dringlichkeitsbescheinigungen oder sonstige erlogene Schreiben unterstützt werden konnte.

Aus dem „Kampf“ um die Telefonnummer ist Clara als Verliererin hervorgegangen.

Da war guter Rat teuer, wo doch das Telefon den Stellenwert für sie hatte, wie es heute vielleicht das Internet haben mag – schlichtweg Möglichkeit zur Kommunikation.Die familiären Telefonrechnungen wurden immer nur von ihr in die Höhe getrieben.

Nicht, dass jetzt jemand den Ratschlag erteilt, als Interimslösung auf ein Handy auszuweichen!

Keiner soll sagen, es gab in der DDR kein Handy – nur jeder kann sagen, die Hand- und Hosentaschen für dieses Handy waren zu klein.

Anträge schreiben ist  wohl typisch deutsch, nicht nur typisch DDR-deutsch, denn es heißt:

Von der Wiege bis zur Bahre – Formulare, Formulare!

Kaum in die neue Wohnung gezogen, war der Telefonantrag auch schon abgegeben. In Berlin hatte sich der Markt etwas entspannt – die Wartezeiten lagen bei ca. 3 Jahren, abhängig von der Wohngegend.

Üblich waren sogenannte Doppelanschlüsse, bei denen gleichzeitig immer nur ein Partner telefonieren konnte. Kaum jemand kannte seinen Partner – wahrscheinlich sollte Lynchjustiz vermieden werden bei solchen Leuten wie Clara, die stundenlang die Leitung blockierte.

Es gab folgenden Trick: Wenn besetzt, Hörer daneben legen, und dann war es wie bei den heutigen Bandansagen:

Die nächste freie Leitung ist für Sie reserviert!

Das Ende der Wartezeit ist schneller erreicht als gedacht, die Techniker der Deutschen Post kommen zur Montage in die Wohnung. Verwunderlich ist die ausgesprochene Unfreundlichkeit der Männer, trotz Kaffee. Unbedarft, wie Clara des öfteren ist, fragt sie nach dem Grund der Unfreundlichkeit. Sie erfährt, dass sie für eine Stasimitarbeiterin gehalten wird, da sie einen der begehrten Einzelanschlüsse verlegt bekam.

Wahrer Grund für den Einzelanschluss:

Doppelanschlüsse konnten nur im gleichen Haus verlegt werden, und Clara war offensichtlich der 23., 25. oder 27. Teilnehmer in diesem Haus.

Mein eventueller Partner hat sich viel Wartezeit erspart!

Und hier gibts zum heutigen Datum noch ein Bild.


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Irr- und Umwege bei der Wohnungssuche …

… in der DDR!

Ausgangslage: Ein quirliger Erstklässler, hinreichend bekannt unter dem Namen Clemens, seine allseits interessierte Schwester Theres von 9 Jahren, ein dauerarbeitender Diplomingenieur und eine permanent sich in Weiterbildung befindende Clara wohnen 1977 gemeinsam in Berlins schönster Zentrumslage in einer wunderschönen Vollkomfortwohnung, die nur einen Nachteil hat: Sie ist mit 49 qm und zwei nicht zu großen Zimmern einfach zu klein und zu eng für 4 Personen. (Ich bewohne jetzt allein 64 qm)

Der eine will seine Eisenbahnplatte aufbauen, die andere möchte in Ruhe lesen, lernen oder musizieren. Der Senior braucht nach seiner anstrengenden Arbeit ein wenig Ruhe und verschanzt sich aus diesem Grund permanent hinter Kopfhörern und last, but not least hätte Clara gern einen Arbeitsplatz, den sie nicht ständig für die nächste Mahlzeit räumen muss.

Dass eine größere Wohnung nötig war, konnte und wollte keiner abstreiten, nur die „DDR-Wohnungszuteilungs-Gesetze“ schrieben vor, dass beide Kinder im Schulalter sein müssen, bevor der Familie eine 3- bis 4-Zimmer-Wohnung zusteht. – Dieser Punkt war erfüllt, also ging es auf Wohnungssuche. Willige Tauschpartner mit großen Wohnungen wurden gesucht und gefunden, die in eine kuschelige Wohnung am Ufer der Spree in Fernsehturmnähe ziehen wollten.

Folgende Bedenken wurden nun reihum gegen alle gefundenen Wohnungen vorgebracht:

  • Die ist zu weit weg vom Zentrum!
  • Die hat ja noch Ofenheizung, da muss ich ja Kohlen schleppen!
  • Ich will in keine Parterrewohnung!
  • Altbauwohnungen haben zu hohe Decken und Fenster !
  • Da muss ich ja in eine neue Schule!
  • Zu den Umbauarbeiten habe ich keine Lust!

Diese Liste ließe sich beliebig erweitern. Clara war jedenfalls am Rande der Verzweiflung, denn sie litt wohl am meisten unter der Enge.

Nun hätte ja der arbeitende Papa in seiner Arbeits- und Wohnungsvergabestelle eine 4-Zimmer-Plattenbau-Wohnung beantragen können, denn dort wurde schließlich das Gros aller Berliner Neubauten geplant, gebaut und für Angestellte  auch verteilt.

Doch der Haken war: Um nichts in der Welt wollte er nach Marzahn ziehen, was ich bis heute nicht richtig nachvollziehen kann.  Clara wäre (fast) alles egal gewesen – Hauptsache Platz in der Wohnung!

Also musste Plan B ran:

Eine fingierte Scheidung mit Kinderaufteilung sollte das Problem lösen: C+C (Clemens + Clara) behalten die alte Wohnung, T+H (Theres + Hannes) beantragen eine 2-Zimmer-Wohnung, die es angeblich ganz schnell geben sollte. – Ende 1978 war die Scheidung über die Bühne.

Die Kinder sollten nicht eingeweiht werden, um sie nicht zum Mitwisser dieses Deals zu machen. Blöd nur, dass sich die Klassenlehrerin von Theres als „Verkündigungsengel“ aufspielen musste. Heute ist es Twitter, früher Lehrer, die unangenehme Nachrichten verbreitet haben.

Das untröstliche, weinende Kind konnte nur damit getröstet werden, dass der DDR-typische, schlitzohrige Plan offengelegt wurde und sie Aussicht auf ein eigenes Zimmer bekam.

Diese neue Wohnung kam viel später als erwartet und lag genau gegenüber von dem inzwischen entstandenen „Marzahner Garten“.

Mit viel Ausdauer und Glück gelang es uns danach, die beiden 2-Zimmer-Wohnungen gegen eine herrliche 4-Zimmer-Whg. im gleichen Areal zu tauschen, in dem wir bereits wohnten, also quasi genau gegenüber.

Blöd nur, dass bei der Einweihungsparty der Grundstein zur endgültigen Trennung gelegt wurde.


Donnas Schreibprojekt vom Februar 2010

Ein Tag mit all seinen Facetten


Sie wusste nicht, wie sie in dieses Zimmer gekommen war …

Diesen Post habe ich bearbeitet, gestrafft, den chaotischen  Chef in Rente geschickt und den unerfreulichen Computercrash aus den grauen Gehirnzellen gestrichen. Zu nachmitternächtlicher Stunde und beflügelt durch den ersten Platz beim Doko-Turnier melde ich mich gleich noch einmal zu Wort.

Danke für die lieben Kommentare an alle!