Clara und Blumen in den ersten 10 Lebensjahren
Wenn ich also auf die 77 zugehe, kann sich jeder ausrechnen, dass ich kurz nach der Beendigung des zweiten Weltkriegs geboren wurde. Ich bin heilfroh, dass man sich an die ersten drei bis vier Jahre nicht gut oder gar nicht erinnern kann, denn die waren bestimmt nicht ganz lustig.
Mein Vater ist im Mai 1946 mit seinem Fahrrad (leider aus eigener Schuld) unter einen LKW gekommen und hat das nicht überlebt. Entsprechend traurig und angespannt wird wohl meine Mutter gewesen sein, denn sie musste nicht nur für das hungrige, schreiende Baby sorgen, sondern noch für den aus der ersten Ehe meines Vaters übernommenen 13jährigen Sohn, der sicher noch sehr viel mehr Hunger hatte als ich.
Die beiden, die jetzt schon längere Zeit nicht mehr am Leben sind, haben sich wohl gar nicht gut verstanden, was ich später sogar sehr gut nachvollziehen konnte, denn auch ich war selten mit meiner Mutter auf einer Linie. Deswegen ist der „Knabe“ mit 17 Jahren abgehauen und hat sich dort im Laufe der Jahre auf einen sehr guten Posten bei der Polizei in Nordrheinwestfalen hochgearbeitet. Das war dann später bei all meinen Arbeitssuchen an interessanten Stellen ein großer oder sogar der größte Hemmschuh, da ich den Kontakt zu ihm nicht abbrechen wollte.
Aber jetzt sind schon wieder die Pferde mit mir durchgegangen – ich will doch in der Zeit bis 1954 bleiben.
So wie bei dieser Rosenknospe und den anderen Knospen ist der weitere Lebensweg von KleinClara noch etwas ominös und verschwommen.
Bei diesem Foto sage ich einfach mal, die nächsten Knospen hätten ein Bruder oder eine Schwester oder beides werden können, wenn mein Vater sich nicht so „plötzlich und unerwartet“ vom Leben verabschiedet hätte. Ich hätte gern Geschwister gehabt, zumal ich ja die Älteste gewesen wäre.
Auf jeden Fall hatte sie aus ihrem ersten Wagen = Cabrio einen guten Überblick. Das schien ihr zu gefallen, denn sie quittiert das mit einem freundlichen Lachen, leicht sonnengeblendet. – Offensichtlich kann das Nahrungsangebot nicht soooooooooo schlecht gewesen sein, denn unterernährt sieht dieses Kind keineswegs aus. – Im Hintergrund ist die Görlitzer Straßenbahn – für Insider an der Haltestelle Büchtemannstraße – zu erkennen, in der man für einen Preis von 0,20 M mitfahren durfte.
Entweder hat die fotografierende Person immer meine freundlichen Momente abgepasst oder ich war wirklich ein freundliches Kind – ICH kann das nicht beurteilen und ich kenne auch niemand mehr, der darüber Auskunft geben könnte. – Wenig oder keine Zähne (und dieses Foto beschreibt nicht den Jetztzustand!!!), dünne kurze Haare und lustig in die Welt wackelnde Ohren – das bin ich in meinen frühesten Lebensmonaten. Nur die Sache mit den Ohren ist jetzt anders, da ich sie mir 19?? habe anlegen lassen. Hätte ich das mal lieber bleiben lassen, da hätten jetzt die Hörgeräte besser dahinter Platz gefunden oder die Ohren hätten die Schallwellen besser auffangen können 🙂
Und das Leben schreitet voran – das Kind bekommt trotz der schwierigen Verhältnisse auch ein wenig Spielzeug geschenkt. Und da dieser Teddy nur so klein und mickrig war, hat sie das dann im späteren Erwachsenenalter alles versucht, wieder aufzuholen und die ganze Wohnung mit Plüschtieren voll gestellt. – Das ist übrigens offenbar die Lieblingsfrisur meiner Mutter für mich gewesen – oben eine Rolle, die sich nach fachkundiger Bestätigung „Hahnenkamm“ nennt. Sollte ich durch dieses maskuline Beiwerk stärker werden als ein Mädchen, sollte ich männliche Züge bekommen? Vielleicht wollte ich deswegen in meiner Jugend lieber ein Junge sein. – Warum diese Haare nicht in die Zöpfe eingeflochten wurden, die meine abstehenden Ohren etwas verdecken sollten, weiß ich nicht. Vielleicht wurde ich auch einfach nur nach der neuesten Mode von Paris frisiert 🙂 😉 (und wieder lacht und strahlt das Kind)
In unseren Breiten besteht ja Schulpflicht und Schulrecht – und die Einschulung passiert in den ersten 10 Lebensjahren. 1952 – also schon 7 Jahre jung – schleppte ich meine zwei Schultüten am Einschulungstag zum Ort des Geschehens. Von unserer Wohnung aus waren es keine 10 Minuten bis zur Melanchthonschule. Da ich hier eine Görlitzer Mitschülerin als Mitleserin habe, muss ich genau aufpassen, dass ich auch alles richtig berichte. – Auch hier habe ich diese Tolle auf dem Kopf. – Warum dieses Mal die Zöpfe die Ohren frei lassen, weiß ich nicht. Vielleicht hatte meine Mutter Angst, ich könnte sonst etwas von den Worten unserer Lehrerin überhören. – Hier noch ein ganz lobendes Wort für „Fräulein Grahner“, die eine exzellente Lehrkraft war. Warum es damals üblich war, nicht mehr junge Frauen mit Fräulein anzusprechen, könnt ihr selber googeln.
Und jetzt habe wir es auch schon geschafft. Hier habe ich mich schon in den Lernprozess integriert. Mir ist das nie nicht niemals schwer gefallen, deswegen habe ich wohl immer so viel Blödsinn im Unterricht gemacht und gequatscht, weil es mir so oft langweilig war, wenn etwas zum zweiten oder dritten Mal wiederholt wurde, damit es auch die ?????? mitbekommen.
Die beiden Schneidezähne sind komplett, dafür wachsen die beiden Nachbarn – und …. und …. und ??? Ohren frei und KEINE Tolle mehr auf dem Kopf – wie ich mich aufmüpfiges Kind kenne, habe ich dagegen protestiert. Aber IMMER Schleifen im Haar – entbehrlich!
Apropos Zähne – einer kleinen Löwin wachsen natürlich Löwenzähne.
1954 siedelte meine Oma und meine Tante (Mutter und Schwester meiner Mutter) aus Oberschlesien zu uns und wohnten auch in unserer Wohnung. Da wurde es auf der einen Seite gut für mich, da meine Oma mich liebevoll bekochte, aber auch sehr hart, da meine Tante versuchte, alle Erziehungsfehler meiner Mutter auszugleichen. Da ist mir mehr als einmal das Lachen vergangen.
Hier das aufstrebende ClaraRöschen – Mutter und Tante in Erziehungskonkurrenz – in der untersten Etage die Großmutter.
Wir sehen uns bald wieder in dieser „Lebensaufführung“ – aller drei Tage kommt ein neuer Beitrag.