Claras Allerleiweltsgedanken


2 Kommentare

Ost-West-Erfahrung

Zu dem Artikel von tonari und dem Kommentar von chinomso habe ich eine Ergänzung zu machen.

Es ist Mitte der 90er Jahre. Gleich nach der Vereinigung fing ich in einer westdeutschen Unternehmensgruppe an zu arbeiten. Alle meine bisher er-lernten oder er-studierten Berufe konnte ich dort für meine Tätigkeit in der Öffentlichkeitsarbeit nutzen. Unsere Gruppe war im Haus und in allen Niederlassungen bekannt wie ein bunter Hund.

Irgendwann ergab sich an der Rezeption ein Gespräch über Ost und West. Ich: „Hier in dieser Firma habe ich ja  den Reigen der Arbeitskräfte aus dem Osten  angeführt, ich war die erste nach dem Mauerfall!“ Daraufhin erst einmal ein kurzer Moment betretenes Schweigen. Dann fängt die Rezeptionsdame an, schallend zu lachen: „Sie, Frau Himmelhoch! Das ist der beste Witz, den ich je gehört habe. Sie doch nicht, jede andere, aber doch nicht Sie. Dazu sind Sie viel zu pfiffig!“ (oder ähnlich)

Meine Halsschlagader schwoll auf das Doppelte – mindestens. Ich wusste, dass der Personalchef mich im Jan. 1991 mit geschmatzten Händen eingestellt hat, weil er so viel Gehalt sparen konnte im Vergleich zu den anderen Damen auf ähnlichen „Plätzen“, aber  mit schlechterer Ausbildung. Und jetzt bekam ich hier indirekt bestätigt, dass man mir meinen „Ost-Stempel“ noch nicht einmal glaubte.

Ich überlegte lange nach einer passenden Antwort. Ob passend oder nicht, jedenfalls „würgte“ ich dann hervor: „Wie, die aus dem Osten schielen alle und haben einen Buckel, damit man sie auch gleich erkennt? Und blöd sind sie auch! Oder wie meinten Sie soeben Ihre Bemerkung?“ – Es war ihr sehr peinlich, der Rezeptionsdame.

Gleich nach meiner Einstellung – ich muss sagen, ich hatte einen phantastischen Chef – habe ich diesem jungen, promovierten Philosophen seinen „Ostzahn“ gründlich und ohne Betäubung gezogen.

Er zu mir: „Frau Himmelhoch, wenn alle so wären wie Sie, könnte ich mich mit den Leuten aus dem Osten anfreunden!“

Meine Gegenfrage: „Wie viele kennen Sie denn wirklich aus dem Osten, dass Sie meinen, sich eine solche repräsentative Aussage erlauben zu dürfen?“

Er nahm nicht übel, ich nahm nicht übel – und wir arbeiteten  wunderbar zusammen. Ich habe bei ihm bestimmt viel Ost-Sympathie wachsen lassen. Leute aus dem Osten mussten immer improvisieren, da sie nicht auf das vielfältige Angebot in den Geschäften zurückgreifen konnten. Das übt und macht erfinderisch.

Nach 6 Jahren verließ er leider die Firma und ich bekam einen Gruppenleiter, der war dümmer als die Polizei erlaubt. Wer mich kennt, weiß durch diese Aussage, welche Konflikte damit an meinem Arbeitshimmel aufzogen.