Claras Allerleiweltsgedanken

Ein Vergleich mit deutschen Schulkindern

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Es ist jetzt schon einen guten Monat her, konkret war es in der Nacht vom 18. zum 19. Oktober, dass bei 3SAT vier Dokumentationssendungen hintereinander angezeigt wurden – alle mit dem gleichen Titel, und der hieß

„Die gefährlichsten Schulwege der Welt“

Nicht nur, weil ich seit 2004 über den Berliner Großelterndienst Kinder betreut habe – zum Teil bis zum 12. Lebensjahr und damit schon lange Schulkind – interessierte mich dieses Thema.

Obwohl ich wusste, dass bei den Dreharbeiten Erwachsene und damit Hilfe in der Nähe der Kinder sind und ihnen damit bei Gefahr geholfen werden könnte, hat es mir mehr als einmal vor Angst um die Kinder die Sprache verschlagen.

Und natürlich musste ich da an viele unserer deutschen Kinder denken, die von ihren überängstlichen Müttern die überschaubare Strecke zur Schule mit dem Auto gefahren werden – es muss nicht immer ein SUV sein.

Vorgestellt wurden die Länder Nicaragua, Mexiko, Sibirien und die Mongolei und die Sendungen waren erst um 3:45 Uhr beendet.

ALLE gezeigten Kinder wollten unbedingt zur Schule gehen, egal, welche Strapazen sie auf sich nehmen mussten. Wenn diese zu groß waren und der Schulweg entweder zu lange oder zu gefährlich war, übernachteten sie in der Woche in einem Internat – meist drei Kinder in einem Bett, weil nicht mehr Geld für eine bessere Ausstattung vorhanden war. – Dennoch wollten die Kinder unbedingt in der Schule sein, dafür hatten sie verschiedene Gründe

  • sie waren in dieser Zeit von der schweren Arbeit zu Haus befreit
  • dort konnten sie mit ihren Freunden und Freundinnen SPIELEN – etwas, was sie zu Haus nicht konnten
  • in der Schule bzw. im Internat bekamen sie täglich drei Mahlzeiten, die fast ausnahmslos ohne Besteck eingenommen wurden
  • ihnen war von ihren Eltern sehr deutlich erklärt worden, dass sie nur mit einer Schulbildung lesen, schreiben und rechnen können und eventuell eine höhere Schule besuchen dürfen, um ihre gesellschaftliche Position zu verbessern. Viele der Kinder wollten Lehrer werden, eine davon Schachlehrerin, denn in dieser Schule war Schach Unterrichtsfach
  • in Sibirien durften die Kinder ab minus 55°C ihr Zuhause nicht mehr verlassen und auch nicht vor die Hütte zum Spielen gehen – da wurde ihnen schnell langweilig. Im Internat hatten sie gleichaltrige Gesellschaft.

Über Nicaragua war der erste Beitrag

Die Filmcrew begleitete einen etwa 10jährigen Jungen, der durch den Urwald bzw. den Dschungel gehen musste. Seine größte Angst war, von einer giftigen Schlange gebissen zu werden, die er kaum sehen konnte. Da wäre jede Hilfe zu spät gekommen, denn erstens hätte ihn so schnell niemand gefunden und zweitens war die nächste Krankenstation viel zu weit weg.

Er war kein Internatsschüler und legte diesen Weg, der weit über eine Stunde dauerte und die Gefährlichkeit eines deutschen Schulweges um ein Vielfaches überschritt, täglich zweimal zurück. Seine Mutter, überdurchschnittlich jung, hatte große Angst um ihn – aber für alle gezeigten Kinder war Schule das höchste Glück.

Gerade wollte ich mir diese Dokumentation in der Mediathek ansehen, aber dort ist sie nicht aufgenommen. Ich habe mir nämlich zu wenige Notizen gemacht und kann mich nicht mehr erinnern, welche die zweiten Kinder waren, denn immer wurden Kinder aus zwei Familien gezeigt bei der Bewältigung ihres Schulweges.

Mexiko

Gezeigt wurde ein Sechsjähriger, der auf seinem Weg 1000 Höhenmeter erklettern und sehr, sehr gefährliche Stellen im Gebirge zurücklegen musste. Dieser Schulweg dauerte ca. 3 Stunden, und deswegen blieb er in der Woche im Internat. Er war noch so klein, aber schon so geübt im Umgang mit den Gefahren in der Bergwelt. Schlimm war, dass seine Schuhe ihm einen blutigen großen Zeh und Blasen bescherten, weil sie zu klein waren. Auch Socken hatte er keine an. – Für mich war er wie ein kleiner Held – doch das nutzt ihm nicht viel.

Am ersten Tag in der Schulwoche war er von seinem Weg so erschöpft, dass er dem Unterricht nicht folgen konnte – aber die Lehrer waren sehr verständnisvoll und halfen solchen Kindern dann durch Einzelunterricht.

Die zweite Gruppe von Kindern waren 3 Mädchen – die älteste ca. 11 Jahre, die jüngste ca. 5 – ihre Mutter war 25 Jahre jung. Die Filmproduzenten erklärten, dass die Mädchen mit 14 Jahren verheiratet werden und es deswegen keine Seltenheit ist, dass so junge Mütter schon so große Kinder haben.

Diese drei Mädchen fuhren in einem ca. 200 kg schweren Einbaum zur Schule, über Wasserstrecken, wo es Alligatoren gibt. Sie mussten das Boot mit ihren kleinen Kräften ins Wasser bugsieren und an der Landestelle aufs Land ziehen, damit es nicht abgetrieben wird. Die Kleinste konnte nicht schwimmen, ihre Aufgabe war es, das ständig ins Boot laufende Wasser auszuschöpfen – die beiden Größeren paddelten.

Nachdem die Mädchen den Wasserweg geschafft hatten, mussten sie auch noch über Land laufen – und das mit ihren Sandalen, die aus alten Autoreifen gemacht werden. Ein neues Paar, das das eine Mädchen dringend brauchte, stand bei den Anschaffungen sehr weit hinten.

Natürlich machte sich die Mutter Sorgen, aber sie musste zusehen, den mehr als kargen Lebensunterhalt zu verdienen.

In der Mongolei sind im tiefsten Winter alle Schulwege zugefroren, auch der Fluss zum Teil. Ein 10jähriger Nomadenjunge, der noch nicht einmal allein aufs Pferd kommt, muss bei ca. minus 30°C auf seinem Pferd den Hin- und Rückweg zur Schule reiten. Wenn das Pferd scheut, galoppiert es los und würde ihn abwerfen. – Auch beim Überqueren des Flusses bei Eisspalten kann das Pferd Angst bekommen und den Reiter abwerfen.

Das Pendant war ein Mädchen, die ihren täglichen Schulweg von 5 km auf dem Soziussitz des Motorrads ihres Vaters hinter sich bringt – zum Teil bei Minustemperaturen bis 50°C und total vereister Strecke. Es war wohl immer ein Glück, wenn der Vater durch Tricks das Motorrad anspringen ließ. – Ich möchte von allen Dokumentationen mit keiner einzigen Person tauschen wollen – und sehe wieder einmal, wie gut wir es hier haben.

Am Ende wurde das festlich begangene Neujahrsfest gezeigt, wie den alten Leuten Ehre widerfahren ist und die Kinder mit ganz viel Süßigkeiten erfreut werden.

Die vierte Dokumentation war in Sibirien gedreht worden – in der Nähe von Jakutsk. Jakutsk gilt als kälteste Stadt der Welt und deswegen wurde es auch als „der kälteste Schulweg der Welt“ bezeichnet.

Ein Junge führte uns vor, wie sich an den Wimpern kleine Eiszapfen bildeten, wenn er einen Moment stehen blieb. Das Mädchen, die Jüngste von drei Geschwistern, war unheimlich lernfreudig und nahm wahnsinnig viel Strapazen auf sich, um zur Schule zu kommen. Ein ziemlich alter Mann mit Zähnen, die mir irgendwie Angst machten, betrieb einen uralten Bus als Schulbus. Seine Bemühungen wurden gezeigt, was er alles tun musste, damit er wirklich anspringt. Handys zur Verständigung gab es nicht – wenn er also mal eine kleine Panne hatte und später kam – standen die Schüler etwa bei minus 50°C und warteten auf den Bus oder mussten wieder nach Haus.

Es wurde auch gezeigt, wie Eisangeln funktionierte. Die aus dem Netz geholten Fische mussten nicht getötet wurden, denn sie fielen auf dem Eis fast gleich und sofort in Schockstarre.

Kurz vor 4:00 Uhr morgens lag ich dann im Bett und war glücklich, dass ich die vier Beiträge gesehen habe und dankbar, dass weder ich noch meine Kinder und Kindeskinder solche Strapazen zurücklegen mussten, um an Bildung zu gelangen.

Pardon, ist länger geworden als gewollt.

Autor: Clara Himmelhoch

Auf meinem PR = purple Roller fahre ich durch die Bloggerwelt und mache PR = Public Relation. In meinem Gepäck habe ich fast täglich eine "Überraschung" für meine LeserInnen. Hausfrauentipps und -tricks als auch Koch- und Backrezepte müsst ihr wo anders suchen.

10 Kommentare zu “Ein Vergleich mit deutschen Schulkindern

  1. Moin Clara (5). Den Film kenne ich. Den haben wir uns – ich als Assistenz-Begleiter eines Schuljungen – mit der ganzen Klasse – ich glaube, 7. – im Rahmen eines Schulprojekts im Kino angesehen. Danach habe einige Kids ganz schön bedröppelt dreingeschaut. Tja, die Welt besteht eben nicht nur aus Lübeck, Lübecker Umkreis und Mallorca oder türkische Mittelmeerküste. 😉 Aber woher sollen manche Kinder das auch wissen?
    Bis (6) 😉

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  2. Liebe Clara,
    da diese Sendezeiten für mich so gar nicht möglich sind, da ich zu diesen Zeiten schon lange im Reich der Träume verweile, freue ich mich umso mehr, dass ich durch deinen Beitrag ein wenig Einblick in diese Dokumentationsreihe Einblick gewonnen habe! Es ist schon wirklich unglaublich, welche Strapazen viele Kinder auf sich nehmen, um zur Schule zu kommen. In solchen Momenten bin ich doch wirklich froh, dass es mir und meinen Kindern ganz anders erging 😉
    Liebe Grüße
    Heike

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    • Heike, dein Kommentar wäre beinahe in Vergessenheit geraten, denn der Post ist ja schon ein paar Tage her. – Aber als ich beim heutigen Artikel deinen Gravatar sah, da fiel es mir ein.
      Es ist so ärgerlich, dass die Dokumentation nicht in die Mediathek aufgenommen wurde – ich hätte manches gern noch ein zweites Mal gesehen.
      Es ist wirklich unglaublich, wie Geld, Macht, Wohlstand, Bildungschancen und anderes auf der Welt verteilt sind. Wir gehören auf jeden Fall zu den besser Bedachten.
      Liebe Grüße zu dir

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      • Liebe Clara,
        glaub ich dir gerne! Manchmal, gerade innerhalb der Woche, habe ich nicht so viel Zeit, mich ausgiebig mit den vielen tollen Beiträgen anderer Blogmitreisenden zu befassen. Das wird dann aufs Wochenende gelegt…. Das ist viel entspannter und ich kann dann mit der nötigen Zeit und der Ruhe daran gehen 😉
        Mit der Dokumentation, die es nicht in die Mediathek geschafft hat, ist es schade, da stimme ich dir auch zu. Aber durch deinen super, detaillierten Beitrag habe ich ja praktisch lesen können, was darin vorkam und kann es schon alleine dadurch nachempfinden, welch ein Glück wir doch hier haben, nicht solchen Strapazen ausgesetzt zu sein 😉
        LG Heike

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  3. Einen Teil davon habe ich auch gesehen. Wie glücklich die Kinder doch sind, dass sie trotz aller Strapazen in die Schule gehen können. Unsere Kinder wissen gar nicht, wie glücklich sie sein können.

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    • Das war schon wirklich ein echter Fernseh Marathon, der ja erst kurz vor 4 Uhr morgens zu Ende war. Aber im Nachhinein muss ich noch mal sagen, dass ich mich freue, dass ich das gesehen habe. Ich weiß nicht, warum das nicht in der Mediathek war Punkt vielleicht würde ich es irgendwo finden, aber so lange Zeit zum Suchen wollte ich auch nicht aufbringen. Die Kinder waren richtig richtig wonnig, obwohl sie solche Strapazen in Kauf nehmen mussten.
      Einen schönen Abend noch für dich.

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  4. Ja, Clara, hier wird auf hoechstem Niveau gejammert! Dein Beitrag zeigt dies wieder einmal.
    Ich habe auch einmal einen Doku über einen Jungen in Südamerika gesehen. Am meisten hat mich beeindruckt unter welchem Aufwand auch er die Schule besuchte und sein Willen einen guten Abschluss zu machen. Ich hoffe, dass er es geschafft hat. Und ich hoffe mit allen Kindern, dass sich ihre Umstände verbessern mögen.
    Liebe Grüße
    Ulli

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    • Liebe Ulli, als „Zugereiste“ (wenn frau erst mit 44 in dieses Land integriert wird, sind eben die Erfahrungen aus Kindheit, Jugend und lange Zeit Erwachsensein andere als von den Menschen, die hier geboren wurden) habe ich sehr oft das Gefühl, dass viele Deutsche einzig und allein „Kürläufer“ sein wollen, also die „Pflicht“ weglassen wollen. Aber beim Eiskunstlauf und sicher auch noch bei anderen Sporarten geht es NUR über die Pflicht zur Kür.
      Alles, was in Deutschland auf -pflicht endet – siehe Impfpflicht bei Masern, 10 Jahre lang Schulpflicht oder Maskenpflich bei Pandemien – das wird eben von manchen vehement abgelehnt.
      Wenn ich nicht 16 Jahre lang Kinder aus fremden Haushalten betreut hätte, würde ich es mir nicht gestatten, so ein Urteil über viele Eltern, besonders Mütter, zu haben. Wurde es für mein Empfinden zu arg, dann habe ich die weitere Betreuung abgegeben. Wenn ein Kind ganz deutlich zum „Elitekind“ erzogen wird und als Junge ein anders Mädchen mit Billigung der Mutter richtig geprügelt hat, so dass es viele blaue Flecke hat, dann kann ich da nicht weiter sein – und es ging NUR um die Benutzung eines echt ledernen Fußballes, den der Junge mit 6 Jahren bekommen hat.
      Ich würde auch gern allen Kindern der Welt menschenwürdige Um- und Zustände wünschen.
      Liebe Grüße von Clara

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