Claras Allerleiweltsgedanken


5 Kommentare

Kleines Finale der Fußballeuphorie

Sie, die Clara, kann deswegen so frohgemut sein, weil doch wenigstens ihre einzige Voraussage eingetroffen ist: Ich habe gesagt, gegen Uruguay gewinnen wir. Dabei habe ich gleich zu Beginn einen Riesenschreck bekommen, nämlich als ich sah, dass die Jungens in schwarz auflaufen – das ist doch nun wirklich keine optimistische Farbe. Ich hatte doch beim weiß verhüllten Hochzeitsauto gesagt: „In Trikotfarbe“. Aber bitte, wir sind ja Gentleman, sollen doch die anderen in ihren gewohnten hellblauen Trikots spielen, es wird ihnen nichts nützen.

Dann kam der nächste Schreck, brav einer nach dem anderen: Die „halbe“ Mannschaft ist krank, Neulinge müssen zum Einsatz kommen, der Torwart ist verletzt, der Jogi hat den R… an der Backe. Was soll das bloß werden?

Am Anfang des Spiels war ich mir dann plötzlich nicht mehr so sicher, dass wir gewinnen. Ich hörte die fröhliche, fast zum Tanzen anregende Nationalhymne von Urug. und fand sie aufmunternd, anregend, animierend – nicht nur für die Spieler – ich hatte den Eindruck, für das halbe Stadion auch.

Und dann begannen getragene Klänge aus den Lautsprechern zu spielen. Ich, die ich den Spielanfang immer versäumt hatte und somit schon lange nicht mehr unsere Hymne gehört hatte, erschrak mächtig. „Wie, ist einer in der Mannschaft schwer erkrankt, gar schlimmeres, dass so ein Trauerlied gespielt wird?“ – das ging mir durch den Kopf.

Die Hymne mag ja für wichtige Staatsanlässe gut sein – zur Motivation für unsere Fußballspieler, die kampfstark und schnell sein müssen, taugt sie definitiv nichts.

Nach paar Minuten gab es deutsche Führung, die leider bald wieder nivelliert wurde. Vor lauter Spannung bei der Gluthitze  musste Clara erst mal Getränke fassen gehen. Es kann mir nichts entgehen, da ich grundsätzlich mit schnurlosen Kopfhörern „guckhöre“. Es kann also kein Tor versehentlich in die Kanalisation gespieült werden.

Plötzlich Bewegung unter meinen schwarzen Ohrpolstern, die Stimme des Moderators wird immer lauter und er lobt, und er lobt, und er lobt – allerdings Forlan, den Klassespieler aus der falschen Mannschaft, die hellblauen hatten den Führungstreffer erzielt. Etwas mehr Zurückhaltung und weniger Lob wäre schon anagebracht – ich wunderte mich nur, warum es vor dem Balkon keine Knaller gab. Aber zuguterletzt ging ja alles nach Plan.

Und hier könnt ihr sehen, dass Clara an dem Sieg maßgeblich mitgearbeitet hat – durch Aussitzen.

**************

In einigen Stunden  ist es also zu Ende und alle sind wir auf jeden Fall klüger als zuvor, aber viele Fußballbegeisterte sind weniger glücklich, als sie am Ende des Turniers sein wollten.

Der eine Ball des spanischen Spielers ???, den unser Torwart hinter sich aus dem Netz fischen musste, hat sehr, sehr vielen die Suppe verhagelt. Es ist nicht so einfach, unter diesem Erwartungsdruck der Millionen auf der Straße auch punktgenau zwischen 20.30 und 22.18 Uhr die erwartete Leistung zu bringen.

Vielleicht hätte mal der jetzige Kapitän erst nach der Weltmeisterschaft die Diskussion um die blaue Binde anfangen sollen. Vielleicht hat das Emotionen aufgeworfen, die im Titelkampf nicht angebracht waren.

Wenn ihr hier guckt, dann könnt ihr sehen:

Clara, die Chauffeuse, fährt in diesem schönen Gefährt am Sonntag gegen 20.15 Uhr (zum rechtzeitigen Absingen der beiderseitigen Nationalgesänge) den spanischen Ritter (nicht nur von Real Madrid) und das niederländische Königsfräulein zum Traualtar auf dem grünen Rasen.

Verscherzt es euch nicht allzusehr mit Spanien, sonst machen die die Mittelmeerküste für deutsche Touristen dicht!


11 Kommentare

Fußball verändert …

vielleicht nicht unbedingt gleich die Welt, aber zumindest die Menschen —– ein wenig zwar nur – vielleicht auch nur kurzzeitig, aber ich habe es bemerkt.

Marcel, ein aufgeweckter Neunjähriger mit vielen Interessen und mehreren  versponnenen technischen Träumen, wird von mir einmal pro Woche am Abend betreut, wenn seine Mutter versucht, andere Leute zu mehr oder weniger guten Geldgeschäften zu überreden.

Hätte ich ihn einschätzen müssen, wäre mein Urteil so ausgefallen: „Ein sehr ruhiger Junge, …“ Ja eben, das hätte ich bis zu dem Spiel: „Niederlande : Uruguay“ auch gesagt, das verfolgten wir gemeinsam am Fernseher in seiner Wohnung.

Plötzlich schnatterte Marcel wie ein kleiner Enten“anus“, hüpfte ununterbrochen vor dem Bildschirm auf und ab und hin und her – ich gab es auf, selbst etwas sehen zu wollen und versuchte ihm nur zwischendurch besänftigend zu erklären, dass keiner der Spieler seine gut gebrüllten Ratschläge hören könnte. – Ich glaube, er verstand mich in diesen 2×45 Minuten nicht – ich konnte bis zum Schluss nicht ausmachen, ob er für die Niederländer oder für die anderen war oder ob er einfach nur für Fußball war. – Wenn letzteres zutrifft, dann sehr sympathische Haltung!

Diese Unentschlossenheit der Parteiergreifung fiel mir akustisch dadurch auf, dass er bei beiden Toren der Gegner zum Fenster stürzte und lauthals mit der Vuvuzela seine Freude verkündete.

In der Halbzeitpause hatten wir an folgendem Spiel Spaß:
Ein schwarzrotgoldener Hut wurde geworfen und sollte vom anderen möglichst auf dem Kopf gefangen werden. Mit steifer Krempe wäre es ein Kinderspiel gewesen – ohne wurde es richtig anstrengend.

Genau so unverständlich bzw. besser unsichtbar wie hier auf dem Foto kam mir manchmal vor, was mir Marcel mit viel Geduld immer und immer wieder erklären wollte. Haben es 73 Leute vor ihm nicht geschafft, mir die Abseitsregel verständlich zu machen, so werde ich es jetzt in meinem methusalemischen Alter auch nicht mehr begreifen wollen.

Es war mit das lustigste Spiel, was ich – vor der Kiste liegend – miterlebt habe. Der Eindruck täuscht mich sicher nicht, dass er es eben so lustig fand und gern einmal den Hut auf meinem Kopf platziert hätte. – Der weiß doch gar nichts von meinem Huttick!

Das verlorene Halbfinale gegen Spanien hätte wohl weder die Statik meines Nervenkostüms noch die Statik seines Fußbodens ausgehalten – sicher wären wir dann beide bei den Untermietern gelandet.